Re: Es läuft, wie es läuft!

Geschrieben von Mabo am 24. April 2005 14:44:35:

Als Antwort auf: Was ist schiefgelaufen...? geschrieben von Apollo am 23. April 2005 21:41:57:

Tach zusammen!

Ja, Leute, was ist davon zu halten? Von alledem hier? Sollte man nicht langsam mal ein Fazit ziehen? Es wurden sämtliche Schreckensszenarien hervorgekramt, die irgendwelche Visionäre (und geplagte Geister) je von sich gegeben haben. Der Fokus lag lange und wohl immer noch auf den vornehmlich düsteren Prognosen, was aufgrund logischer Betrachtung der allgemeinen Entwicklungen in vielen Bereichen unseres Lebens ja auch durchaus verständlich ist. Die Welt wird sicher in schwierige Zeiten stolpern oder wegen meiner auch grob fahrlässig von einer mächtigen Minderheit gesteuert, aber zu solcher Erkenntnis bedarf es sicher keiner Schauungen oder Horoskope.

Seinen wir realistisch. Wir haben anhand der Prophezeiungen noch nicht ein Mal wirklich die Zukunft vorhersagen können! Zwar kann man im Nachhinein immer mal eine Schauung identifizieren, die sich irgendwie auch passend zu einem Ereignis beibiegen lässt, aber so richtige Volltreffer mit Ansage habe ich hier in 7 geschlagenen Jahren nicht miterlebt.
In dieser Zeit gab es viele Dinge, die passierten, aber ohne Frage dürften in unserem Kontext zwei Ereignisse besondere Aufmerksamkeit – auch durch die Propheten – verdienen. Zum einen die Anschläge in New York und Washington, zum anderen der neue Papst. Und tatsächlich gab es ja auch viele Hinweise auf diese Ereignisse.

Nostradamus wurde so interpretiert, dass die Stadt New York von einer Atombombe vernichtet würde. Dann fielen die Türme um und die Spekulationen gingen von abgemilderter Variante bis zu anhaltender Erwartung, dass der große Knall ja noch kommen könne. Aber keiner der Seher und Fühler hier im Forum hat das Ereignis eine Woche oder auch nur Tags zuvor konkret genannt. Keiner hatte scheinbar eine schlaflose Nacht und fühlte sich zum Rechner gezwungen uns mitzuteilen, dass in Kürze in New York etwas ganz entscheidendes passieren würde. Etwas, was für die nächsten Jahrzehnte unsere Welt, unser Verständnis von Sicherheit und auch die militärstrategische Ausrichtung der verbliebenen Weltmacht maßgeblich beeinflussen würde.

Und nun die Sache mit dem Papst. Ein Schwarzer sollte es werden. Warum auch immer. Weil es auch dunkle Oliven gibt? Weil Malachias in seiner Liste einen „Gloria Olivea“ erwartete? Einer mit einer Birne wie eine Olive? Lustige Interpretation. Da gefiel mir der Hinweis von Hubertus (glaub ich) auf José Da Cruz Policarpo ja fast noch besser, der irgendwie zu einem Orden gehört, der in einem Stadtteil Lissabons Olivais agiert. Aber der wurde es auch nicht.

Ich hatte mich die Tage vor der Papstwahl auch noch mal kurz mit Malachias befasst und mir auch die diversen anderen Päpste und die trefflichen Beschreibungen angesehen. Teilweise ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Und dann habe ich selber versucht dieses Gloria Olivea zu übersetzen. Gloria = Ruhmreich, Herrlichkeit, Pracht, Ehre; Olivea = Olive. Wofür stehen Oliven? Oder wo begegnet uns die Olive sonst so? Im Olivenzweig. Und wofür steht er? Für Frieden! Ein Friedenssymbol? Also übersetze ich mal frei, der Papst des Herrlichen Friedens. Wurde hier ein einziges Mal solch eine – weil positive – Variante diskutiert? (Ich bin seit knapp zwei Jahren nur noch sporadisch hier.) Ich fürchte, falls ja, nur sehr am Rande.

Was ich damit sagen will: 1. wurde scheinbar von keinem Propheten das Auftreten eines deutschen Papstes vorhergesehen. Überlegt mal! Das hätten doch gerade Irlmeier, Waldviertler und Co. schauen müssen. Es hätte doch in ihrem Interesse gelegen, so was nicht zu übersehen. Es wäre doch eine ganz wichtige Zeitmarke gewesen. Und 2. sieht man hier, dass ein vollkommen verstellter Blick auf die Wirklichkeit gepflegt wird, der positive Interpretationen ausblendet und nur die klassischen Sichtweisen im Kontext zu den Prophezeiungen – die ja zu 90% auch allesamt düster sind (es war wohl schon zu allen Zeiten nicht angesagt, in der Zukunft was positives zu sehen) – zugelassen werden.

Leute, ich habe keineswegs seit neustem eine rosarote Brille auf! Die Zeichen stehen für uns, so wie wir sind, so wie wir denken und handeln, immer noch nicht auf Friede und Sonnenschein! Aber um das zu erkennen, bedarf es gar keiner besonderen Fähigkeiten, sondern nur eine Prise Gesunden Menschenverstands, etwas Hirnschmalz für logisches Denken und allenfalls Mathematik, um anhand bekannter Parameter z. B. in Wirtschaft und Finanzen einen Kollaps zu erkennen oder vorauszuberechnen.

An dieser Stelle möchte ich dann auch kurz zu der scheinbaren Schauung von Zeitenwende Stellung nehmen. „Scheinbar“ sage ich nicht um dich anzugreifen, Zeitenwende, oder in Frage zu Stellen, dass du das wirklich so erlebt hast. Im Gegenteil, ich glaube dir, dass du das tatsächlich so gespürt hast. Aber was hättest du wohl heute gepostet, wenn du Crescenzio Sepe oder Angelo Sodano oder einen der anderen Kandidaten geschaut hättest. Vermutlich nichts! Bei Hunderten Foris, werden sicher auch einige dabei gewesen sein, die sich vorher – rein gefühlsmäßig – auf einen anderen Kardinal festgelegt haben. Auf Francis Arinze sicher auch nicht gerade wenige. Aber keiner von denen wird dies nun noch groß an die Glocke hängen. Und die, die Joseph Ratzinger auf dem Schirm hatten – und du bist da sicher nicht der einzige! – fühlen sich nun bestätigt und überlegen schaurig, ob sie vielleicht doch die Gabe besitzen? Selbst wenn du dich vorher laut im Forum geäußert hättest, so wie gegenüber deinen Freunden, dann wäre es immer noch im Rahmen der Wahrscheinlichkeit, dabei glücklich Recht zu behalten.

Gleiches gilt früher oder später auch für all die hier behandelten Seher. Eine Zeit lang überleben sie scheinbar hartnäckig in den Köpfen derer, die viel Zeit mit ihnen verbracht haben, auch wenn ihre Prophezeiungen längst ad absurdum geführt wurden. So rechnen hier immer noch welche mit dem baldigen Einmarsch der Russen, ohne zu erkennen, dass das Schicksal der Welt längst andere Wege eingeschlagen hat. Natürlich ist es mit irgendwelchen Klimmzügen (und seien es Attentate besonderer Art, Naturkatastrophen oder Besuch der Grünen Männchen) immer noch irgendwie denkbar, dass plötzlich der Russe vor der Tür steht, während wir grad gemütlich im Eck sitzen und Karten spielen. Aber ebenso gut werfen in zehn Jahren die Amerikaner Atombomben auf Europa, Timbuktu strebt mit einer neuen Wunderwaffe die Weltmacht an oder der Papst wird zum weltweit anerkannten obersten Führer der Menschheit und wir haben uns alle ganz doll lieb.

Ich will Irlmeier und Co. nicht absprechen, dass sie etwas gesehen haben. Dass sie Dinge gefühlt und wahrgenommen haben, die vielleicht wirklich so oder so ähnlich dem beschrittenen Schicksalsweg der Menschheit entsprochen haben. Aber es ist anders gekommen! Diesen Schicksalsweg haben wir spätestens seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlassen. Ilrmeier war – was nur zu verstehen ist – voll in diesem „alten“ Plan verankert. Er war schließlich auch nur ein Kind seiner Zeit. Und in seiner Zeit war das alles nicht nur denkbar, sondern eine der größten Ängste der Menschen in Deutschland überhaupt. In seiner Zeit schon seit Jahrzehnten angestaute Angst vorm Iwan. Der kalte Krieg. Die Brüder im östlichen Teil des Landes, die im Ernstfall unsere ersten Gegner gewesen wären. Diese Welt und diese Ängste beherrschten ihn. Diese düstere Sichtweise und auch Schuldkomplexe nach dem verlorenen Krieg wurden unfreiwillig zum Interpretationswerkzeugen seiner Alpträume und logischerweise konnte es nur der Russe sein, der uns eines nicht mehr all zu fernen Tages bitter heimsuchen würde. Und wer weiß? Hätten wir uns anders entschieden, hätte Papst Johannes Paul II sich nicht so eingebracht wie er es tat, wäre es den Mächtigen irgendwie gut ausgekommen... dann hätte sich Irlmeier vielleicht bewahrheitet.

Gleiches kann man zu fast allen Schauungen sagen. Man muss den Visionär, seine Weltsicht, seine Vorurteile, seine Ängste und den kollektiven Bewusstseinsstatus der Menschheit immer in die Interpretation mit einfließen lassen. Ich gehe soweit zu sagen, dass man die Prophezeiungen weit besser dazu benutzen kann, die Vergangenheit verstehen zu lernen, als damit die Zukunft vorherzusagen. Wir sehen in den Schauungen immer nur das, was zum damaligen Zeitpunkt, als sie erfolgten, im Bewusstsein der Menschen – und insbesondere des jeweiligen Propheten selbst – gerade vonstatten ging.

Gleiches gilt für sämtliche Vorwegnahme nicht berechenbarer kosmischer Ereignisse wie Kometeneinschläge und dubioser Polumkehr, Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunamis und sonstige Geschehnisse. Es stellt sich bei all diesen Dingen nicht die Frage, ob sie eintreffen werden, sondern höchstens wann. Es sind bereits große Himmelskörper auf der Erde eingeschlagen und sie werden es wieder tun. Ob morgen oder in Millionen Jahren. Aber es wird passieren! Erdbeben und Vulkane brechen alle Nase lang aus und man braucht kein Prophet zu sein, sondern nur etwas von Plattentektonik zu verstehen, um beispielsweise vorherzusagen, dass es in Kalifornien und Japan einst zu gravierenden Beben kommen wird.

Man braucht auch kein Prophet zu sein, um zu kapieren, dass wir mit unserem menschenverachtenden Wirtschaftssystem an vielen Weltuntergangsschrauben zugleich drehen, in der völligen Ignoranz einfachster Grundlagen über die Begrenztheit des Wachstums und exponentielle Wachstumskurven. Fast sämtliche Horrorszenarien, die die Menschheit selber aus eigenem Antrieb herbeiführen kann (jetzt also mal den Kometen und die Macht der Gedanken, die selbst diesen herbeiordern könnte, beiseite gelassen), einschließlich Überbevölkerung (was u. a. Killerviren auf den Plan ruft), Umweltvernichtung (was unseren Lebensraum immer feindlicher für uns macht und fürchterliche Kriege um Wasser und Lebensmittel nach sich ziehen wird), totalitäre Weltregierung nach Orwell (was zu Terroranschlägen, dem Zeichen des Tieres etc.) führt... lassen sich allein aufgrund unserer kollektiven Naivität bezüglich unserer Art zu Wirtschaften ableiten. Dazu braucht es sämtlichst keinerlei Prophetie!

All jenen, die weiter an den düsteren Prophezeiungen dieses Forums klammern, die nicht loslassen können von der Vorstellung, dass es sie gibt und dass man sie zur Deutung der Zukunft verwenden kann, möchte ich ernstlich die Frage stellen, ob sie erkennen, dass ihre Geister in einem nicht mehr aktuellen Strang des Weltenschicksals vergangener Ängste verankert sind? Sollte eine kritische Masse diesen düsteren Bildern wieder verfallen, ja dann mag die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens dieser alten Sichtweisen wieder auf den Plan kommen. Wer sich die Welt aber mal frei von den alten Ängsten ansieht, erkennt auch die Probleme der Zukunft, die sich aus unserer kollektiven Geisteshaltung heute ableiten lassen. Sich mit den alten Propheten zu befassen und deren Ängste auch wider jede Vernunft, sprich ohne erkennen zu wollen, dass die Dinge so einfach nicht mehr laufen können, weil längst Tatsachen eine andere Entwicklung stichhaltig festgelegt haben, nährt unnütz die alten Vorurteile und schnürt sie mit in unser aktuelles Angstkollektiv, was unsere Zukunft herbeiführen wird.

Schicksal ist Charakter im Verlauf von Zeit. Wir haben unser Schicksal selbst in der Hand. So lange unser kollektiver Charakter aber so gestrickt ist, dass wir an die Ängste und Vorurteile der Vergangenheit festhalten, werden wir auch weiter in düstere Zustände wie im vergangenen Jahrhundert verfallen. Und somit sind für mich selbst die großen Schauungen als sich selbst erfüllende Prophezeiungen überführt. Und die wenigen wirklich eindrucksvollen Volltreffer in der Geschichte die man anführen mag bestätigen dies trotz aller Genauigkeit auf der einen Seite, und doch sind sie aus Sicht unserer zu selektiven Wahrnehmung unbedeutende Übereinstimmungen aufgrund bloßer Wahrscheinlichkeit.

Es grüßt euch alle
der Mabo



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