Re: Giacomo Kardinal Biffi

Geschrieben von Hubert am 05. April 2005 08:26:24:

Als Antwort auf: Giacomo Kardinal Biffi geschrieben von Swissman am 05. April 2005 02:35:32:

Hallo Swissman,

vielen Dank für deine Einschätzung. Ich bin zu wenig in der feinen kurialen Sprache der Eminenzen geschult, um mich wirklich als gut unterrichtet bezeichnen zu können. Ich habe wie jeder andere Laien-Analytiker auch nur die Predigten und die Interviews mit den Kandidaten zur Verfügung, und denen kann man m. E. nicht entnehmen, wie die Kandidaten wirklich denken. Ihre eigentliche Sprache untereinander ist codiert – und jeder einzelne Clan hat seinen eigenen Code. Aus meiner einfachen Laiensicht stellt sich das Problem unter den italienischen Kandidaten nun wie folgt da:

Der Norden Italiens (so schrieb es DER SPIEGEL gestern) scheint sich auf Kardinal Giovanni Battista Re geeinigt zu haben – der Süden auf Kardinal Crescenzio Sepe. Dann ist ja alles klar, sagt sich der grobgestrickte SPIEGEL-Leser: Jeder, der die Machtverteilung im Vatikan auch nur halbwegs kennt, weiß somit, daß es Kardinal Re wird.

Nehmen wir aber ein Mikroskop zur Hilfe, dann geraten wir schon ins Schwimmen Denn wir entdecken leicht, daß der Norden Italiens schon seit Jahrhunderten in zwei mächtige Clans aufgeteilt ist – der Clan aus Piacenza und der Clan der Emilia-Romagna. Jeder Clan regierte in der Vergangenheit durchschnittlich zwanzig Jahre. Beide Clans sind derzeit gleich mächtig, mit einem leichten Heimvorteil für den Clan aus Piacenza, denn die graue Eminenz der Piacentini, Piero Marini, gehört diesem Clan an und schwimmt auf einer Welle mit Stanislaw Dziwisz, dem persönlichen Sekretär des entschlafenen Papstes. Mit dem Tode des Papstes verlieren die beiden natürlich automatisch ihre Ämter, aber das heißt gar nichts. Obwohl die beiden noch nicht einmal Kardinäle sind, haben sie schon seit langem vorgesorgt. Und obwohl sie stets im Hintergrund agierten, stehen ihre „Ersatzkandidaten“ im Konklave schon lange fest: Das sind die Kardinäle Biffi, Poletto, Ruini und Tettamanzi. Ohne mich jetzt auf einen der vier Ersatzkandidaten festlegen zu wollen – eines kann ich dir mit absoluter Sicherheit sagen: Sie haben dafür gesorgt, daß die Kardinäle Sodano und Sepe NICHT Papst werden. Und egal, welcher der fünf heißen italienischen Kandidaten (Re, Biffi, Poletto, Ruini oder Tettamanzi) Papst werden sollte – der nächste Papst wird sich auf jeden Fall als dankbar erweisen, und Piero Marini an die Spitze einer eigenen Kurienbehörde stellen.

Biffi hin oder her – die gegenwärtigen Machtstrukturen sind dermaßen komplex und undurchschaubar, daß wirklich niemand voraussagen kann, wie das Rennen ausgehen wird.

Ich bleibe deshalb bei meiner Einschätzung von vor fünf Jahren. Meine Favoriten sind die Kardinäle Arinze (Nigeria) und Re (Italien) – und erst im Anschluß daran würde ich mal in Richtung Südamerika schauen.

Herzlichst,
Hubert



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