deutsche Übersetzung
Geschrieben von Lydia am 10. Februar 2005 16:18:32:
Als Antwort auf: Saakaschwili: Die Russen haben kein Recht auf Mitsprache geschrieben von Theo Stuss am 09. Februar 2005 15:45:16:
Hier ist die deutsche Übersetzung:
Saakaschwili: "Die Russen haben kein Recht, sich in unsere Innenpolitik einzuzmischen"
Interview mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, von Daniel Brossler, 17.01.2005Er ist die Personifizierung der Revolution: In der Neujahrsnacht trat der frischgewählte Präsident Viktor Juschtschenko in Kiew vor seine jubelnden Anhänger. Neben ihm stand Michail Saakaschwili, das Haupt Georgiens. Nur ein Jahr zuvor hatte Saakaschwili selber einen solchen Kampf in seinem Land geführt, indem er dort an der Spitze der samtenen Revolution stand. Auch hier lösten Massendemonstrationen und -proteste gegen Wahlfälschungen den Wandel aus: Der 37-jährige Georgier stürzte den damaligen Herrscher in Tbilissi, Eduard Schewardnadse.
SZ: Herr Präsident, Sie sind gerade aus der Ukraine zurückgekommen. Haben Sie den Export der Revolution zu Ihrem Geschäft gemacht?
Saakaschwili: Ich denke nicht, aber es gibt viele Parallelen zwischen dem, was in der Ukraine und in Geoprgien geschehen ist: das Verhalten der Menschen, die Parolen, der Enthusiasmus.
SZ: Bei der gemeinsamen Erklärung mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, der bald vereidigt werden wird, sprechen Sie über die neue Woge der Befreiung in Europa. Befreiung wovon?
Saakaschwili: In unserem Land folgte das politische System einem Ritual. Die Demokratie war dort nichts anderes als eine andere Form der Sowjetunion. Von Zeit zu Zeit gab es zwar Wahlen und es wurde auch versichert, daß es das freie Wort gibt, aber nichts änderte sich. Fast jeder Leiter im Land war ein früherer kommunistischer Bürokrat. Diese Mentalität haben wir zerstört. Wir haben gezeigt, daß, wie stark der Staatsapparat auch sei, er nicht in der Lage ist, den Willen des Volkes zu unterdrücken. Er funktionierte weder in Georgien noch in der Ukraine.
SZ: Hatten Sie dabei nicht zugleich auch die Befreiung von Rußland im Blick?
Saakaschwili: Auf jeden Fall sollten sich die Russen weniger in das einmischen, was wir in unseren Ländern machen. Sie haben kein Recht, sich in unsere Innenpolitik einzumischen. Trotz aller Spannungen empfinden wir jedoch kein antirussisches Gefühl. Die Leute bei uns sind über die Politik des russischen Präsidenten erbittert, aber nicht gegen das russische Volk.
SZ: Sie haben versprochen, Georgien zu vereinen. Wie wollen Sie die separatistischen Regionen Abchasien und Südossetien zurückholen?
Saakaschwili: Ich habe versprochen, dies in meiner Amtszeit zu realisieren, und ich glaube, daß dies noch möglich ist. Wir arbeiten gerade an einem überzeugenden Vorschlag für Abchasien und Südossetien. Wir sind bereit, eine gewisse (begrenzte) Autonomie zuzusichern. Im Fall von Südossetien rechne ich mit keinem großen Widerstand. Dort geht es im Grunde genommen um eine kleine Elite, die mit Schmuggelgeschäften in Verbindung steht. Bei Abchasien ist es schon schwieriger, da es dort ethnische Säuberungen gab. Es wurden 300000 Georgier von dort vertrieben. Wir sollten wieder Vertrauen in Abchasien gewinnen, gleichzeitig aber die Leute dort allmählich zurückholen.
SZ: Wie wollen Sie es anstellen, dieses Vertrauen wiederzugewinnen?
Saakaschwili: Wir sind bereit, ein Maß an Autonomie zu garantieren, das eigentlich nur in einem föderativen Staat (Bundesstaat) möglich ist.
SZ: Werden Sie Zwang in jedem Fall ausschließen?
Saakaschwili: Über das, was in jedem Fall passieren würde, kann ich so einfach nichts sagen. Ich hoffe aber, daß es keine ernsten Vorfälle geben wird.
SZ: Aber müssen Sie sich nicht auch sehr beeilen, damit Sie Ihr Versprechen rechtzeitig einlösen?
Saakaschwili: Nein, wir haben noch viel Zeit. Wir müssen etappenweise handeln. Ich denke, daß die georgische Wirtschaft in den nächsten zwei Jahren auf den richtigen Kurs kommt und für die separatistischen Gebiete attraktiv wird. Bis dahin sollten wir keinen Druck ausüben. Wir haben noch nicht genug an Möglichkeiten (Alternativen), die wir vorschlagen können.
SZ: Aber hängt der Erfolg letzten Endes nicht auch von Rußland ab?
Saakaschwili: Die Russen sagen, daß sie befürchten, den Kaukasus zu verlieren. Wenn Du nicht weißt, wo Deine eigenen Grenzen verlaufen, dann entstehen daraus Probleme für diese und für die andere Seite der Grenze. Ich fürchte, daß die Politik Rußlands Gefühle regieren. Die Russen wollen zeigen, daß sie immer noch mächtig sind. Präsident Wladimir Putin hat Abchasien mit dem Kosovo verglichen. Er sollte besser über Dinge reden, die ihm näher sind: z.B. über Tschetschenien, aber nicht über den Kosovo.
SZ: Putin hat Sie angeklagt, daß Ihre Regierung von dem amerikanischen Milliardär George Soros finaziert wird. Ist dem so?
Saakaschwili: Nein, Soros hat sich geradezu in eine mythische Figur verwandelt. Es geht nicht um Soros, sondern um eine Verschwörungstheorie. Die Leute in Rußland sollten begreifen, daß sich Revolutionen und Enthusiasmus nicht mit Geld erkaufen. Das sind vielmehr natürliche Prozesse, aber keine Weltverschwörung.
SZ: Sie haben den Leuten auch versprochen, daß sie besser leben werden. Bisher ist davon nichts zu sehen.
Saakaschwili: Das ist nicht richtig. Möglicherweise macht es diesen Eindruck. Aber die Zahlen sagen etwas anderes. Im letzten Jahr betrug die Inflationsrate bei uns 5 Prozent. Das ist nicht mehr als früher. Die alte Regierung löste das Problem, indem sie die Leute mit Arbeit versorgte. Aber man zahlte ihnen nicht die Löhne.
Es ging nicht um Arbeit, sondern darum, daß den Leuten Möglichkeiten gegeben werden. Indem die Leute Möglichkeiten haben, sollten sie das Geld dafür erarbeiten. Zum ersten Mal seit unserer Unabhängigkeit bezahlen wir den Beamten den Lohn, der für die Lebenserhaltung nötig ist. Niemand glaubte, daß die georgische Polizei nicht mehr korrupt sein würde. Jeder Bürger mußte bei jedem Schritt erwarten, daß die Polizisten von ihm ein Schmiergeld verlangten. Mein Vorgänger sagte, daß jeder Georgier korrupt sei. Wir haben diesen Mythos zerstört. Früher hat der Polizist davon gelebt, aus Gemüsehändlern mittels Erpressung Schmier- und Bestechungsgelder herauszuschlagen. Meine Idee bestand darin, daß er die Uniform ablegt und ein Gemüsegeschäft aufmacht.
SZ: Sie haben auch versprochen, die Menschenrechte zu wahren. Gibt es in georgischen Gefängnissen tatsächlich keine Folter mehr?
Saakaschwili: Vor drei Monaten hätte ich Ihnen noch beipflichten müssen. Doch seitdem haben wir einige hochrangige Polizisten verhaftet, da sie Häftlinge mißhandelt haben oder falsche Aussagen machten. Es wurde ein hochrangiger Polizist aus der Drogenbekämpfungsbehörde dafür verhaftet, daß er Verdächtigen heimlich Drogen unterschob.
SZ: Ihr größtes Ziel ist der Eintritt in die EU. Wann soll es erreicht werden?
Saakaschwili: Wir haben schon heute in der EU eine riesige Lobby, die den Eintritt der baltischen Staaten, Polens und Tschecheins unterstützt. Zu unserem Beitritt gibt es keine Alternative. Wenn ich für eine zweite Präsidentschaftszeit wiedergewählt werde, kann der Beitritt noch während meiner Präsidentschaft erfolgen. Während meiner Einsetzung sang ein Kinderchor die georgische und europäische Hymne. Die europäische kannte er besser.
Interview Ende
Na dann...