"Leises Gefühl von Aufstand in Moskau"
Geschrieben von H.Joerg H. am 14. Dezember 2004 14:54:11:
Als Antwort auf: NACHRICHTEN (Dienstag, 14.12.2004) (owT) geschrieben von DNS-Freak am 14. Dezember 2004 07:12:56:
Tag zusammen
Die russische Opposition versucht, den ukrainischen Nachbarn nachzueifern. Aber sie ist zerstritten, und hat deshalb kaum Einfluss im Land. Jetzt versucht sie unter dem Eindruck der Geschehnisse in Kiew, zu neuer Geschlossenheit zu finden.
Ein leises Gefühl von Revolution beschlich am Wochenende die Gäste des Moskauer Hotels "Kosmos": Beim Anblick von Hunderten Menschen in orangen Pullovern und Halstüchern wähnte man sich für einen Augenblick in der aufgewühlten Ukraine. Die Opposition in Moskau wehrt sich mit neuer Energie gegen die politischen Säuberungen der autokratischen Staatsmacht im Land.
Während am Sonntag Putin im Kreml das demokratiefeindliche Gesetz über die Ernennung von Gouverneuren unterzeichnete, berieten im "Kosmos" 1200 Vertreter der Zivilgesellschaft darüber, wie sie dem wachsenden Autoritarismus in ihrem Land Einhalt gebieten könnten. Der mit großem Aufwand vorbereitete "zivile Kongress" mit dem Motto "Russland für Demokratie und gegen Diktatur" offenbarte allerdings erneut die Schwäche der Putin-Kritiker, die sich nicht auf gemeinsame politische Werte und Ziele einigen können.
Ein neu gegründetes nationales Aktionskomitee soll künftig "die Freiheit verteidigen, faire Wahlen sichern und Volksabstimmungen organisieren". Seine erklärten Gegner sind Superpräsident Putin und die korrumpierte Bürokratie.
"Wir werden hier keine orange Revolution erleben, weil unser Land ganz anders ist als die Ukraine. Wie erleben den Tschetschenienkrieg, wir erinnern uns an die Krise von 1993, als der Oberste Sowjet von Panzern beschossen wurde. Wir haben das Öl, das jeden korrumpiert", erklärte auf dem Kongress der Chef der liberalen Jabloko-Partei, Grigorij Jawlinski.Weitere Gründe sprechen gegen eine Wiederholung der ukrainischen Proteste in Putins Land:
Erstens ist es zu uneinheitlich und zu groß. Zweitens wurde die russische Öffentlichkeit in den größtenteils gleichgeschalteten Medien über die ukrainische Krise desinformiert. So wurde die Willensäußerung der Massen als eine "nationale Show" und ein mit US-Geldern organisierter "Hexensabbat" verspottet. Und schließlich fehlt in Russland die Bereitschaft der Bürger, sich politisch zu engagieren. "Die schweigende Mehrheit geht nicht auf Demonstrationen, sie mag weder Linke noch Rechte, sie will nur Stabilität und Ordnung", sagt Andrej Rjabow, Analyst der Moskauer Carnegie-Stiftung.In Russland sind heute nicht weniger als 500.000 Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Bürgervereinigungen offiziell registriert. Doch ihre Arbeit sei so chaotisch und ineffizient wie die Bewegung von Molekülen in einem Wasserglas, sagt einer der prominentesten Kämpfer gegen Korruption, Politologe Georgij Satarow:"Die HGOs arbeiten nicht zusammen, sie wissen wenig voneinander. Aber stellen sie sich vor, dass die Moleküle sich in eine Richtung bewegen würden. Das Glas würde umstürzen".
Die Verfechter der Demokratie wollen im Kampf gegen Putins Regime künftig ihre Energie und Erfahrungen bündeln. Die neue Strategie der Opposition ist, die angeblich wachsende Zahl von Unzufriedenen in einer breiten Koalition zusammenzuführen.
Derweil hält die Mehrheit der Russen den Ultranationalisten Schirinowski und Putin für die "größten Demokraten" im Land. Einen Tag, nachdem er die Direktwahl der Gouverneure abgeschafft hat, wurde Präsident Putin gestern für seine "Verdienste um die Stärkung der Staatlichkeit" mit dem begehrten russischen Orden des Heiligen Andreas ausgezeichnet.
(Auszüge eines Artikels des Moskau-Korrespondenten Alexei Makartsev aus der "Nahe-Zeitung" von heute)-----------------------
Gruß
Jörg
P.S.: Heute vor 501 Jahren war der Geburtstag des Michel de No(s)tredame (1503-1566)