Faschismus – ein Fremdwort? (USA)
Geschrieben von Acedcool am 05. Dezember 2004 15:28:44:
Als Antwort auf: Narichten 5.12.2004 (owT) geschrieben von Acedcool am 05. Dezember 2004 15:26:14:
Was denkt ihr über den Artikel
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Mumia Abu-Jamal (http://www.jungewelt.de/2004/12-04/009.php)
Faschismus – ein Fremdwort?
Getarnt als »Recht und Gesetz« wird in den USA gegenwärtig ein totalitäres Regime errichtet. Staat führt ungestraft einen Krieg gegen seine Bürger
Faschismus – die bloße Erwähnung des Begriffs ruft finstere, bedrohliche Bilder von Soldaten hervor, die im Gleichschritt marschieren und bereit sind, im Namen einer feindseligen Schreckensideologie alles zu tun. Für die meisten von uns haftet dem Begriff etwas Fremdes an, er hat nichts mit uns zu tun, nur mit »den anderen«. Genau darin liegt die Gefahr, denn wenn der Faschismus als eine fremde Ideologie gesehen wird, dann kommt einem unweigerlich in den Sinn: Bei uns kann das nicht passieren.Wer so denkt, kennt entweder die Geschichte der USA nicht oder will sie nicht kennen. Jene Gutgläubigen ziehen die liebgewordenen Mythen den häßlichen Wahrheiten vor, wenn es um die Frage geht, wie dieses Land zu dem geworden ist, was es ist.
Was nun ist Faschismus? Einfach ausgedrückt bedeutet er die totalitäre Verschmelzung der Interessen von Staat und Kapital. Was ist »Totalitarismus«? Am 23. April 1976 veröffentlichte der US-Kongreß den Abschlußbericht eines Untersuchungsausschusses, in dem folgende Vorwürfe laut wurden: »Es hat sich gezeigt, daß sich Teile der Regierung Maßnahmen zu eigen gemacht haben, die einer Demokratie unwürdig sind und gelegentlich an die Maßnahmen eines totalitären Regimes erinnern. ... Die zentrale Ermittlungsbehörde der Bundesregierung (das FBI – d. A.)), die den gesetzlichen Auftrag hat, gegen die Kriminalität vorzugehen und sie vorbeugend zu verhindern, hat sich selbst ungesetzlicher Maßnahmen bedient und unter Einsatz von Gewalt und zu weiteren Unruhen anstiftend auf tiefverwurzelte gesellschaftliche Probleme reagiert.« (Zitiert in: Dr. Huey P. Newton, »War Against the Panthers: A Study of Repression in America«, New York 1996, S. 110)
Sechs Monate zuvor, am 19. November 1975, hatte der damalige Senator der Demokratischen Partei aus Minnesota, Walter Mondale, ähnliche Kommentare abgegeben, als er eine Anhörung über COINTELPRO-Aktivitäten eröffnete. Es ging um die Frage, ob die unter diesem Counter Intelligence Program, einem geheimdienstlichen Projekt zur Ausforschung und Zerstörung oppositioneller Organisationen, ergriffenen Maßnahmen des FBI rechtmäßig und verfassungskonform waren: »Gestern hat dieser Ausschuß einige Zeugenaussagen gehört, die auf eine Weise beunruhigend waren, wie es schlimmer nicht vorstellbar ist für eine freie Gesellschaft. Wir haben Aussagen darüber gehört, daß die Institutionen, die das Gesetz und die Verfassung in diesem Land vertreten, Praktiken an den Tag gelegt haben, mit denen eben jene Gesetze und die Verfassung gebrochen wurden. Wir hörten, daß das FBI, welches dem Justizministerium unterstellt ist, das Recht in die eigenen Hände genommen und danach getrachtet hat, jene, die unpopuläre Ideen vertreten, selbst zu bestrafen. Wir hörten, daß die oberste Strafverfolgungsbehörde der Bundesregierung eigenmächtig entschieden hat, daß sie keine Gesetze braucht, wenn sie gegen friedliche und verfassungsmäßige Aktivitäten von Personen vorgeht, die in ihren Augen mißliebig sind und die sie deshalb verfolgt und unterdrückt.« Senator Mondale führte weiter aus: »Wir hörten, daß das FBI bei seiner Arbeit zum Schutz des Landes vor jenen, die angeblich totalitäre politische Ansichten vertreten, selbst mit den Maßnahmen totalitärer Gesellschaften gegen amerikanische Bürger vorgegangen ist. Wir hörten, daß das FBI versucht hat, einen unserer hervorragendsten Verfechter der Bürgerrechte (Reverend Martin Luther King jr. – d. A.) zu vernichten und ihn durch jemanden zu ersetzen, den das FBI selbst ausgewählt hat.« (Aus: U.S.-Senate, »Hearing Before the Select Committee to Study Governmental Operations With Respect to Intelligence Activities«, Vol. 6-F.B.I., Wash., DC: U.S. Gov’t Printing Office, 1976, S. 61.)
Der Staat führte also ungestraft einen Krieg gegen seine eigenen Bürger. Und nun, viele Jahre nach diesen Anhörungen und unter dem Notstandsgesetz US-Patriot-Act ist das, was zur Zeit des COINTELPRO-Geheimdienstprogramms illegale Unterdrückungsmaßnahmen waren, legalisiert worden. Menschen, die sich gegen den Irak-Krieg oder andere Entscheidungen der Regierung von George W. Bush gestellt haben, wurden verprügelt, mit Pfefferspray attackiert, unter falschen Anschuldigungen verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und gefoltert – in Los Angeles, New York City, Philadelphia und anderswo –, weil sie ihr vermeintlich verfassungsmäßiges Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.
Sie wurden von der Polizei eingekesselt und in sogenannten »Zonen der freien Rede« zusammengetrieben! Das führt unweigerlich zu der Frage: Wenn Polizeikessel »Free Speech Zones« sind, wie heißt dann das große Ganze aus Land und Luft außerhalb dieser Zonen? »Zonen der nicht-freien Rede«? Ausnahmslos alle Richter, die über Eilanträge zu entscheiden hatten, die Rechte der Demonstranten, sich ungehindert versammeln und protestieren zu dürfen, gegenüber jenen der Polizei zu schützen, die sich das »Recht« nimmt, Demonstranten einzukesseln und ihre Proteste zu unterdrücken, haben sich voll auf die Seite der Polizei geschlagen.
Der Faschismus, die totalitäre Verschmelzung der Interessen von Staat und Kapital, hat den Kampf der Werktätigen für den Achtstundentag, für das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, für freie Feiertage, für kollektive Tarifverträge im Blut Tausender Märtyrer ertränkt.
Faschismus ist mehr als ein fremdartig klingendes Wort; er ist fest eingewebt in den Stoff des gesellschaftlichen Lebens der USA. Gegenwärtig wird er wieder sichtbar, auch wenn er sich als »Recht und Gesetz« zu tarnen versucht.
(Übersetzung: Jürgen Heiser)