Re: Noch etwas
Geschrieben von H.Joerg H. am 04. Dezember 2004 23:53:25:
Als Antwort auf: Noch etwas geschrieben von Gilgamesch am 04. Dezember 2004 04:26:16:
Hallo Gilgamesch
Das hohe Ross, auf dem die deutsche Politik samt ihrem Tross zu sitzen pflegt, und dessen weich gepolsterter Sattel gemütliches Reiten auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen, erst durch einen Teil des (niederen) Volkes möglich wurde, wird auch noch geschlachtet, und verspeist werden - Samt ihrer Reiter und Steigbügelhalter!
Die Verunsicherung im Land geschieht durch Ängste schüren. Ängste in allen Formen mit allen dadurch bedingten Krankheiten, die daraus entstehen. Alle Gesetzesverschärfungen, Steuerbelastungen usw. der letzten Jahre aufgekeimt, und was da noch folgen wird, wurde auch deshalb möglich, weil Deutschland keine eigenen Terroristen mehr hervorbringt. Die Angst der Wirtschafts- und Politikgrößen vor einer RAF der 70er und 80er Jahre existiert nicht mehr. Wenigstens half das Einschüchtern einer terroristischen Vereinigung damals noch, den Machthabern ihre Grenzen aufzuzeigen. Also mit ein Grund, warum es die creme de la creme heute so einfach hat mit ihren Untertanen umzuspringen. Deren Gerechtigkeitssinn ist von übler Sorte. Sie kennen nur die Selbstgerechtigkeit.
Im deutschen Steuer- und Abgabewesen kenne ich mich nicht aus. Meine Frührente benötigt keinen Lohnsteuerjahresausgleich und weitere zwielichtigen Gestaltungsmöglichkeiten, wie man neben Nullrunden für Rentner, und ab nächstem Jahr Abzüge für kinderlose Rentner unter 60 Jehren, dem kleinen Mann noch früher zu seinem Grabe bringen kann. Das System in dem ich lebe ist kein Gutes für einen, der Gutes meint. Den Entschluss, Deutschland den Rücken zu kehren, kann ich sehr gut nachvollziehen: im trüben Einfluss des Herbst und Winter. Nur ist es auch wichtig, Abstand von der Sorte Problem zu gewinnen, die einen im Grunde nichts angehen. Und genau diese Ansicht brachte Deutschland diese soziale Kälte.
Solidaritätsprinzipien sind Fremdworte geworden.Es ist ja nicht das (fehlende) Geld alleine, das den Menschen unglücklich macht. Es ist der pflegliche Umgang, die richtige Einstellung und das Wirtschaften damit, was leider für viele erst gar nicht mehr Möglichkeit werden kann. Alle Verlockungen an unnützem Zeug durch unmögliche Werbebotschaften angepriesen sind Schein, und teils auf Blut aufgebaut. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit wieder. Wenn die Enkelin/Tochter die Puppe als Geschenk erhält, an der Blut klebt. Das Blut jener Frauen und Kinder, die dafür in China usw. unter erbärmlichen Lebensbedingungen für die westlichen Branchenführer anschaffen müssen. Ich hoffe in jeder dieser Puppen und Teddybären, die unterm Christenbaume zu Heiligabend liegen werden, ist die Seele einer dieser armen Kreaturen mit eingeflossen, die das Kleid mit ihren blutigen Fingern nähen musste, und wird dem Kindelein in lauschiger Nacht ein anderes Denken einflößen, damit es als Frau/Mann gegen Ausbeutung und Sklaventum kämpft.
Doch dies bleibt abstraktes Denken. Denn die Sklaverei hat ja auch in Deutschland Einzug gehalten. Beginnend bei den Billig-Mark-Jobs - in die Millionen Menschen letzte Erwerbszuflucht fanden, und die nächste Etappe wird Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV sein. Was soll da noch kommen? Menschen wie in Rio oder Kairo, die auf Müllkippen hausen, in Berlin und Hamburg? Aber dafür haben wir ja die "modernen" Slums der Hochhaussiedlungen mit integrierter Suppenküche geschaffen. Ich bin weiter hin- und hergerissen, was Deutschland und seine Bevölkerung angeht. Der Rechtsruck nimmt weiter zu. Als vor 20 Jahren von rechtsaußen "Ausländer raus" gegröhlt wurde, schüttelte der "Durchschnittsbürger" den Kopf. Heute werden diese Parolen seicht verpackt mit anderem Etikett, aber der gleichen Botschaft, selbst von links propagiert, oder aber das andere Extrem, der Deutsche solle sich dann eben neu definieren, und sich den Gepflogenheiten seiner "Gäste" anpassen. Solche Diskussionen in dieser Form sind nur in Deutschland möglich!
Nun ja, die Straßenverhältnisse in Australien kenne ich nicht, dafür die Schlaglöcher und Stolperfallen in meiner Region nur zu Genüge. Die Kommunen sind mehr als klamm, die Kassen leer. Hin und wieder liest man über Menschen, die einst in Deutschland lebten und dann für Jahre im Ausland waren, wie sehr zum negativen sich Deutschland doch verändert habe. Damit sind die Menschen und Stimmungen im Land gemeint. Wir sitzen hier tatsächlich auf einer tickenden Zeitbombe, persönlich fällt mir keine Möglichkeit ein, wer oder was diese entschärfen könnte. Darüber zerbreche ich mir auch nicht mehr den Kopf. Das machen die Damen und Herren der Zukunftsforschungsinstitute ja auch viel besser. Haben die ja sicher studiert-studiert neben dem freien Studienfach "wie werde ich zum Erfüllungsgehilfen des Untergangs und freue mich darüber"! Denn irgendwie muss es ja zum Steigbügelhalter gereichen-auf dem hohen Ross, dass mehr und mehr einem alten Ackergaul gleicht, und dem man kein Gnadenbrot mehr gewähren darf. Wobei ich wieder am Anfang angelangt wäre...
Weiterhin eine gute Zeit für dich in Sydney!
Es grüßt
Jörg
>ich hatte vor 2 Tagen meinen ersten Lohn bekommen. In meiner Firma jede 2 Wochen. Ich wurde fuer 8 Tage Arbeit mit 927 AUD Brutto und Netto kamen dabei raus 784 AUD. Nun rechne jeder wieviel Prozent Steuern die Leute hier bezahlen. Das sind ungefaehr 15 Prozent denke ich mal. Und ich bin noch unterbezahlt. Ich denke das macht viel aus mit der Moral und der Stimmung in der Bevoelkerung. Ich weiss immer noch nicht warum in Deutschland das niemand sieht. In der Bibel heisst es "wer zuviel Steuern erhebt, richtet das Land zugrunde". Die Qualitaet der Haeuser und der Strassen in D ist zwar besser. Aber ich tausche gerne ein bisschen Luxus gegen Lebensfreude und seelische Ruhe. Ihr solltet sehen wieviele Deutsche hier leben. Keiner vonn ihnen moechte nach Deutschland zurueck. Ist ja auch verstaendlich. Wenn ich mich zurueckerinnere an D dann bekomme ich eine riesen Wut. Ich bin zwar Assyrer (Deutscher Staatsbuerger), aber ich liebe Deutschland ueber alles. Ich kann es auch nicht erklaeren warum. Und wenn ich daran denke dass die Politiker ihr eigenes Volk beluegen und zugrunde richten, dann ueberkommt es mich fast. Wer kann es in D wieder richten?? Und muendet es wirklich zur Katastrophe?? Wieviel Leid kann ein Volk aushalten?? 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, 3. Weltkrieg?? Das staendige Bezahlen von Wiedergutmachungsgelder. Die staendige Schuldzuweisung wegen Hitler. Mich kotzt das an.
>Ich bin echt froh hier in AUS zu sein. Jeder sollte es mal sehen. Arbeit gibt es in jeder Ecke. Und sogar sehr gut bezahlte Jobs. Den letzten Job in Deutschland den ich hatte, war an einer Tankstelle. Ich arbeitete 230 Stunden fuer 998 Euro Netto. Das reicht vorn und hinten nicht. Und es wird noch schlimmer. Jetzt wo Hartz kommt, wird die Wut noch mehr steigen. Ich war die letzten 2 Jahre staendig auf arbeitssuche. Ohne Erfolg. Ueber 100 Absagen habe ich gesammelt. Die Politiker verarschen. Und sie denken dass alle Arbeitslosen faul sind, was gar nicht stimmt. Wenn es 10 Millionen Arbeitslose gibt, dann glauben sie dann auch, dass alle faul sind. Auch wenn sie 0 Euro Jobs anbieten, wird nichts besser. Im Gegenteil. Wenn ein Mensch arbeitet und es reicht nicht weil eben die Steuern zu hoch sind, dann wird er sich sagen "F... You". Dann muss er halt sich was einfallen lassen. Die Welt ist gross genug.
>Ich wuensche D alles gute. Glaube aber, dass dort es noch schlimmer wird. Stellt euch vor, morgen wird der Kanzler sagen "Von heute an bezahlt jeder Deutsche nur noch 20 Prozent Steuern." Ich waere der erste der nach D zurueckkehren wuerde. Und die Leute waeren gluecklicher, freundlicher und besser drauf. Denn dann wird jeder wissen warum er arbeitet. Aber es bleibt halt ein Traum. Der Kanzler hat ja nichts zu befuerchten. Ausser um sein Leben. Waerend andere nicht nur um ihr Leben fuerchten, sondern auch um das ihrer eigenen Kinder. Weil eben kein Geld da ist um zu leben.
>Naja. Es muss halt vielleicht doch sein. Wer weiss was alles hinter der Leinwand gespielt wird. Trotz allem moechte ich euch nicht erschrecken. Das Glueck ist nahe. Nur man muss wissen wo. Im Herzen faengt es an und endet damit dass man anderen hilft ihr Glueck zu finden. Und vor allem hilft der Glaube. Wenn man die Liebe erst mal kennegelernt hat, dann duerfte alles moeglich sein.
>Gruss aus Sydney