Die Geschichte als Lehrmeisterin

Geschrieben von franke43 am 30. November 2004 10:11:35:

Als Antwort auf: Re: Grunsätzliches zum Forum - Es geht nicht ohne Geschichte geschrieben von Der Berliner am 29. November 2004 12:46:34:

Hallo Fred

Meine warme Zustimmung.

Weitere Gründe, weshalb wir die Geschichte niemals ausklammern sollten:

Die Geschichte zeigt uns mit einem riesigen Datenmaterial, zu wieviel
Grausamkeiten und Absurditäten die Menschen vor unserer Zeit fähig
gewesen sind. Wir haben allen Grund anzunehmen, dass wir heute - als
Kollektiv betrachtet - keinen Deut besser sind.

Die Geschichte zeigt uns an unzähligen Beispiele, wie eine lineare
entwicklung durch plötzliche Zufallsereignisse völlig umgeworfen
werden kann.

Eins der Beispiele:

Die Hunneninvasion in Europa

Die Hunnen lebten bis im Jahr 375 weitgehend friedlich als Nomaden
(Wanderhirten) nördlich des Kaukasus in der Gegend des heutigen
Tschetschenien und Dagestan. Im Sommer 375 entdeckten hunnische
Reiter per Zufall, dass die Sümpfe im Delta der Wolga im Westen
ausgetrocknet waren. Diese Sümpfe trennten die Hunnen von den weiter
im Westen lebenden Goten (in der Ukraine) und von den noch weiter
im Westen lebenden Völkern im und ausserhalb des römischen Reiches.

Die Hunnen berichteten zu Hause, weiter im Westen gäbe es Menschen,
die reicher seien als die Hunnen und die man bekriegen und ausplündern
könne.

Im Jahr 376 brachen die Hunnen zu ihrem Kriegszug gegen die
Ostgoten auf und siegten sofort in eienr grossen Schlacht.
Daraufhin flohen die Westgoten panikartig über die Donau in den
Norden des oströmischen Reiches. Dort wurden sie sofort angesiedelt
und zum Militärdienst verpflichtet. Währenddessen wurden die
besiegten Ostgoten ein Vasallenvolk der Hunnen, also zur Heeres-
folge verpflichtet.

Mit diesen Ereignissen nahmen die Geschehnisse ihren Anfang,
die wir heute als die grosse Völkerwanderung kennen:

- Die Hunnen erkannten schnell die Überlegenheit ihrer Kampfweise
(zu Pferd mit Fernwaffen = Pfeil und Bogen) gegen die europäische
Kampfweise (auch die römische !)

- Die Hunnen erkannten sofort, dass sie sich durch ihre
militärische Überlegenheit alle Reichtümer der spätantiken
Welt gewaltsam aneignen konnten

- Die Germanen wussten sofort, dass sie zwischen die Mühlsteine
geraten waren. In der Zwangslage, entweder gegen die Römer oder
gegen die Hunnen zu kämpfen, entschieden sich viele germanische
Völker für den Kampf gegen den schwächeren Gegner. Das führte
406 zur Invasion des Westreichs durch die Franken, Alemannen,
Vandalen, Sueben und Alanen.

Hätten die hunnischen Wanderhirten 375 NICHT entdeckt, dass
westlich der Sümpfe am Asowschen Meer reiche Länder für die
Plünderung offen lagen, dann hätte der Zusammenbruch des
späten Römerreichs viel später und langsamer stattgefunden.

Ähnliches gilt später für das byzantinische Reich und den
Ansturm der Türken ab 1071 und den Verrat der lateinischen
Kreuzritter 1204. Beide Beispiele sind in anderen Beiträgen
sattsam erwähnt.

Oder was wäre wohl aus Europa geworden, wäre nicht der
Hunnenkönig Attila im Jahr 453 in seiner Hochzeitsnacht
mit Ildico an einem Schlaganfall gestorben ? Oder wenn
nicht kurz nach dem Sieg der Mongolen über die christlichen
Ritter bei Liegnitz 1241 die Nachricht vom Tod des Gross-
khans im Heerlager der Mongolen eingetroffen wäre ?

Die Geschichte ist ein Wirrwarr aus linearen Entwicklungen,
die imemr wieder durch nichtlineare "Zufalls"ereignisse
unterbrochen werden, damals und heute.

Deshalb sollten wir die Prophezeiungen nie abtun, nur
weil sie mit unserem linearen Denken nicht im Einklang
stehen. Siehe 11/9-2001.

Gruss

Franke




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