Habe das Original :"Blinder Jüngling"!

Geschrieben von BBouvier am 24. Oktober 2004 23:02:07:


Meine hartnäckigen Bemühungen, an das Original des
„Blinden Jüngling“ zu gelangen, waren endlich erfolgreich:
Vor mir liegt die Fotokopie aus der Bayerischen Staatsbibliothek.
Zum Stammtisch am 04.11. in Frankfurt bringe ich die Seiten
mit, und dann kann Johannes sie vielleicht ja hier reinstellen.

Es handelt sich dabei um ein Deckblatt sowie um 7 folgende
Seiten Inhalt.

Im folgenden eine kurze Inhaltsangabe mit eingeschobenem Zitat.
(Teils verbessertes/modernes Deutsch)

Überschrift:
Eine wahrhaftige Prophezeiung von dem Böhmerlande, dem Christseligen Kaiser Karolo dem Vierten welche ein Blindgeborener Mensch Anno 1350 dem Kaiser eröffnet als er zu ihm kommen Ihn besuchet und gefraget wie es ins künftige dem Königreiche Böhmen ergehen werde?........
.................Im Jahr Christi M. DC. XLIIIIIII. (=1645)

Kommentar:
Der Kaiser zum Blinden gegangen!
Das war alles 300 Jahre mal zuvor, angeblich.

Weiter:
Diese Prophezeiung wurde vom Kaiser Karl IV. mit seiner eigenen Hand geschrieben....
Dem Kaiser wurde angezeigt, es gebe in einem Dörflein einen Jüngling, der
- obgleich blind geboren, -
mehrere Sprachen schreiben könne und sie beherrsche.(!!)
Der habe einen prophetischen Geist.
Da hat sich der Kaiser aber sehr gewundert,
er hat gleich sein Pferd gesattelt
und ist fix in das Dorf geeilt.

Ganz alleine, das hat nämlich niemand wissen dürfen.(!!)

Kaiser:
“ Jüngling, Du heiliger Mann Gottes,..usw...“
Dann hat der Blinde begonnen, mit Kreide auf dem Tisch zu schreiben.
(14 Druckbuchstaben)
Dann erklärt er dem Kaiser,
unter der Regierung seines Sohnes gebe es Kriege.
Italiener und Spanier, Niederländer und Franzosen, Türken gar,
werden in ihrer Tracht den Böhmen sehr gefallen.
Und wegen der entblössten Brüste sei GOTT echt sauer.
Und der Glaube werde vermischt.
Witwen und Waisen werden keinen Schutz haben.
Die Armen hätten Hunger.
Finsternis, Erdbeben, Winde, Feuer.
Krieg und Blutvergiessen, des Glaubens wegen.
4 Religionen, mit den Anfangsbuchstaben:
K(atholiken), W(Waldenser), C(alvinisten), L(utheraner).

Der Sohn des Kaisers hiesse Wencelslaus,
es komme dann Sigismund, dann Albrecht, dann Ladislaus, dann Georg von Kunstadt, dann Vladislaus, dann Ferdinand, dann Maximilian, dann Matthias.
(1645 nun keine Schwierigkeit)
Und dann werde das Böhmerland zerstört.:(so 1635)

Der Blinde erklärt nun dem Kaiser die Bedeutung der Grossbuchstaben:
......Zitat:

„C. bedeutet die Sekte der Calvinisten....
L. Da wird aufstehen der starke Lutherische oder Evangelische Glaube,
welchen die Deutschen Völker sehr anhangen werden...
...............da wird sich erheben ein grosses Streiten, grosser Krieg...“
(der 30-jährige Krieg, 1645 nun unschwer zu „prophezeien“!)
.................Nach diesem Kriege wird...in diesem Böhmer Lande Friede sein
und alles die Fülle sein...
....und danach (kommt) der Sohn Gottes zum Gericht...
Amen.“

Das wars.
Nichts, was über 1645 zeitlich hinausgeht.
Ich persönlich halte diese ganze Sache für ein übles Machwerk
von 1640 etwa.
Dass Jemand 1350 detailliert und ganz nebenbei und kenntnisreich über das
Luthertum angeblich redet, den 30-jährigen Krieg, der sich daraus entwickelt,
kennt, den Calvinismus ebenso, das ist für mich ein deutliches Indiz für Fälschung.
Auch die Kaiser/Königsfolge spricht dafür.
Nach 1645 folgt nur mehr eitel Sonnenschein.

Dieses Original hat nun aber
NICHTS!
gemein, mit dem Text, der uns nun angeboten wird,
und dessen letzte Teile m.E. erst in den 20er Jahren erdichtet wurden.

BB




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