Re: DANKE FRED !! Tout d'accord, "Gefälligkeitsgutachten"
Geschrieben von Fred Feuerstein am 14. Oktober 2004 23:02:14:
Als Antwort auf: DANKE FRED !! geschrieben von franke43 am 14. Oktober 2004 07:59:29:
Hallo Frank,
Ich sehe aufgrund der Etatkürzungen die selbständige Wissenschaft in ernster Gefahr zur Hure der Interessenverbände zu verkommen, und sowas tut mir in der Seele weh:
„Eine wissenschaftliche Gesellschaft, in der nicht wissenschaftliche Ergebnisse, sondern die „richtige" Meinung zu haben für jeden einzelnen zur Existenzfrage wird, kann sich keine wissenschaftliche Wahrheitsfindung mehr leisten."
In den Büchern von BULTMANN/SCHMITHALS und ZITTLAU finden sich zahlreiche Belege, die die These von der Käuflichkeit der Wissenschaft eindrucksvoll belegen.
Dabei ist die wissenschaftliche Anbiederung an den Markt kein Einzelfall, sondern eine strukturell bedingte Massenerscheinung, weil in „einem Land [...], in dem der Forschungsetat, entgegen allen gesellschaftlichen Notwendigkeiten, von 112 Mark pro Kopf der Bevölkerung (1983) auf 97 Mark (1992) heruntergeprügelt wurde, ein Wissenschaftler [...] nur noch etwas ausrichten [kann], wenn er neben staatlichen Geldgebern auch andere Töpfe zu finden vermag."
Vor allem das Erstellen von Gefälligkeitsgutachten ist hierbei in höchstem Maße lukrativ, sind doch mit Gutachten oft immense finanzielle Interessen verbunden, so daß für die jeweiligen "ExpertInnen", die „sich in den Augen von Industrie und Politik bewähren, entsprechend hohe Geldsummen bereit[liegen]."
(BULTMANN berichtet in diesem Zusammenhang von einem Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums, der auf die Frage: „Wie sichert man am besten eine Sondermülldeponie nach unten ab?" die zynische, aber nicht unrealistische Antwort gab: „Mit einem Gutachten von einer Viertelmillion" )
Unter diesen Rahmenbedingungen haben WissenschaftlerInnen, die nicht mit den Wölfen heulen, also das Kundeninteresse nicht über das Wahrheitsprinzip stellen wollen bzw. können, schlechte Karten, denn ein „Experte, der sich zu weit aus dem Fenster lehnt und eine Meinung vertritt, die dem Geldgeber nicht paßt, muß fürchten, daß ihm die Gelder entzogen werden." Hierzu ein Beispiel:„Dem Ulmer Toxikologen Professor Dr. Hans-Uwe Wolf wurde 1988 eine vom Stuttgarter Landwirtschaftsministerium bereits zugesagte finanzielle Förderung seiner Arbeiten plötzlich gestrichen. Die Vermutung liegt nahe, daß seine Versuche, Pestizide im Blut nachzuweisen, ihn in bestimmten Kreisen unbeliebt machten. Just in dieser Zeit zeigten sich nämlich im Raum Tübingen bei über 100 Menschen Vergiftungssymptome, die auf Pestizide hinwiesen. Sogar zwei Todesfälle wurden hiermit in Zusammenhang gebracht. Wolf war nach Absage des Ministeriums gezwungen, seine Forschungen einzustellen. Anzeigen von Betroffenen wurden vom Staatsanwalt niedergeschlagen. Das Tübinger Gesundheitsamt zeigte kein sonderliches Interesse, sich mit dieser Sache zu beschäftigen. [...] Hätte Wolf den Nachweis erbringen können, daß sich Pestizide im Blut angereichert hatten und hier die Ursache der Vergiftungen lag, wäre das alles nicht möglich gewesen."
MÜLLER-MOHNSSEN kommentiert:
„Mit der Produktion unverkäuflicher oder sogar gegen das Interesse des Zeitgeistes gerichteter Leistungen würde der Wissenschaftler Waffen an die „falsche" Seite liefern und seine sowie die Existenz seiner Familie aufs Spiel setzen, zum Beispiel mit der Aufdeckung von Vergiftungsfällen, die es nicht geben darf, mit der Aufdeckung von Gesundheitsrisiken, deren Auswirkungen die Eltern und Vorgesetzten nicht mehr erleben werden, mit der Entwicklung von Verfahren der Vorsorge, die aber den Wohlstand der gegenwärtig bestimmenden Elterngeneration angeblich umso mehr schmälern, je effektiver sie sind. Ein wissenschaftliches Ergebnis, das im Gegensatz steht zu vordergründigen ökonomischen Interessen der Industrie und der sie unterstützenden politischen Klasse - wie der Nachweis der Gesundheitsschädlichkeit vielverkaufter Biozide - birgt heute nicht nur einfach das Risiko des Unterliegens in einem wissenschaftlichen Wettstreit, sondern führt vielmehr zur Kriminalisierung und Ausgrenzung des Wissenschaftlers aus der Gesellschaft."
Sein ernüchterndes Fazit:
„Eine wissenschaftliche Gesellschaft, in der nicht wissenschaftliche Ergebnisse, sondern die „richtige" Meinung zu haben für jeden einzelnen zur Existenzfrage wird, kann sich keine wissenschaftliche Wahrheitsfindung mehr leisten."
pfui Teufel kann ich dazu nur sagen
Fred