Re: Bankenkrise - wie lange geht es noch gut?

Geschrieben von STYKER am 12. Oktober 2004 14:30:55:

Als Antwort auf: Re: Bankenkrise - wie lange geht es noch gut? geschrieben von Zwobbel am 12. Oktober 2004 12:10:09:

Hallo zusammen,

da ich mich beruflich mehr oder weniger mit diesem Thema befasse, habe ich Euch mal schnell ein paar Informationen zum Thema Basel II zusammengetragen.

Liebe Grüsse
STYKER


Wichtige Informationen zu Basel II

Am 31. Mai 2001 hat der Basler Ausschuss das zweite Konsulationspapier verabschiedet (Basel II). Ziel des Auschusses ist die Stabilisierung des internationalen Finanzsystems. Diese Regelung soll nach Empfehlung des Ausschusses ab 2005 in Kraft treten und auf eine individuelle Risikoeinstufung umgestellt werden.

Mit Basel II werden sich für alle Banken die Kosten für Unternehmenskredite ohne entsprechende Absicherung verteuern.
Sie müssen - je nach Einstufung - zwischen 20% und 150% der bereits erwähnten Summe von 8% absichern. Solche "Einschätzungen" eines Unternehmens und die daraus folgendenden Kreditkosten müssen anhand von nachvollziehbaren Kriterien erfolgen. Dazu wird das Instrument Rating herangezogen.


Das Rating

Ein Rating in diesem Zusammenhang prognostiziert die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig nachkommen wird. Gegenstand ist eine umfassende Analyse der Chancen und Risiken, die zu Unternehmensrisiken führen oder diese verhindern können. Ziel ist es, Unternehmen miteinander vergleichbar zu machen und aufgrund historischer und aktueller Daten über das Unternehmen sein Umfeld Aussagen über die zukünftige Bonität der gerateten Firma zu treffen.
Als Ergebnis kommt eine Einstufung zwischen den Ratingsymbolen AAA (höchste Kreditsicherheit) bis über zu D (Insolvenz).

Nach den Richtlinien von Basel II können die geforderten Ratings ausdrücklich sowohl von privaten Dienstleistungsanbietern (externes Rating), sowohl als auch von den Banken (internes Rating) gemacht werden.


Externes Rating

Externe Ratings wrden von Dienstleistern, sog. Rating-Agenturen verfaßt. Da das Verfahren der Unternehmensbewertung durch ein Rating aus den USA stammt (Bewertung vor allem von Großunternehmen), sind auch hier die großen Agenturen und Marktführer im Ratingbereich angesiedelt. Ratingagenturen haben den Vorteil, daß sie bankenunabhängig sind. Sie sind jedoch relativ teuer und werden bisher hauptsächlich von Großunternehmen beauftragt. In den letzten Jahren sind - auch in Deutschland - einige neue Ratingagenturen entstanden, die sich auf die neue Zielgruppe "Mittelstand" konzentrieren. Wegen der Relevanz der Ratingergebnisse werden an ein externes Rating hohe Ansprüche bezüglich Aktualität, Objektivität, Unabhängigkeit und Diskretion gestellt.


Internes Rating

Die Alternative zu externen Bewertungen sind Ratings, die von der Bank verfasst werden. Ihr Ziel ist es in erster Linie, die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden und damit die Risikowahrscheinlichkeit eines Geldverlustest beurteilen zu können. Auch bisher haben die Banken schon verschiedene Indikatoren geprüft, um über einen Kreditantrag und über Zinskonditionen zu entscheiden. Nach den aktuellenn Anforderungen von Basel II muß ein internes Bankenrating von den Aufsichtsbehörden, in Deutschland ist es das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen, genehmigt werden, und es müssen die Ergebnisse offengelegt und vergleichbar gemacht werden.


Nutzen eines Ratings

Informationsinstrument für das Management

Ein Rating ist eine betriebswirtschaftliche orientierte Stärken-Schwächen-Analyse, die das Potential aufzeigen und dem Management so rechtzeitig ermöglicht, Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Genauso kann diese Analyse aber auch ungenutzte Stärken und Zukunftschancen ergeben, die erst dadurch ausgebaut und genutzt werden könnnen. Insofern ist es ein wichtiger Indikator für die mittel- und langfristiges Ausrichtung des Unternehmens auf dem Markt.


Nachweis der Kreditwürdigkeit

Jede Bank strebt nach Absicherung ihrer Risiken. Daher ist es für ein mittelständisches Unternehmen nicht immer einfach, von der Hausbank einen - oft dringend benötigten Kredit - zu erhalten. Gute und vertrauenswürdige Beziehungen zur Bank helfen. In der Gestaltung dieser Beziehungen kann ein Rating zukünftig gute Unterstützung leisten. Es ist zu erwarten, dass die Banken das Rating in ihre Entscheidung über die Kreditvergabe und -konditionen sehr stark mit einbeziehen.


Reduzierung der Finanzierungskosten

Aus dem vorangegangenen Punkt ergeben sich für ein Unternehmen mit gut gerateter Bonität eine deutlich preiswertere Beschaffung von Geldmitteln.


Identifikation von internen Risiken

Unternehmenskrisen kündigen sich meist lange Zeit vor Ausbruch der Krise an, werden aber häufig erst bei Zuspitzung der Situation oder der akuten Liquiditätsproblemen erkannt. Auch hierbei hilft ein Rating, da latente Entwicklungen, die zur Kriese führen können, frühzeitig identifiziert werden und das Management entsprechend sensibilisiert wird.


Kommunikationsinstrument

Ein Rating kann auch als Kommunikationsmittel gegenüber Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern sowie Anteilseignern und der Öffentlichkeit dienen. Fällt es positiv aus, dann festigt es wichtige Außenbeziehungen und unterstützt die Akquisition und den Erhalt von Mitarbeitern, eine wichtige Know-How-Basis, im Unternehmen. Zudem wird der Aufbau neuer Beziehungen zu Kunden und Lieferanten bzw. von Kooperationen erleichtert.


Was wird bei einem Rating in die Analyse einbezogen?

Je nach Art und Ziel des Ratings (intern durch die Bank, extern durch eine Agentur) können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und entsprechende Kennzahlen zu Rate gezogen werden.

Ratingagenturen und Banken gehen davon aus, dass es bestimmte, früh erkennbare Anzeichen für Unternehmenskrisen gibt, die bei gesunden Unternehmen nicht vorhanden sind und interner und externer (Umgebungsfaktoren) Natur sein können. Auf dieser Grundlage analysieren sie Chancen und Risiken eines Unternehmens anhand verschiedener Indikatoren.
Folgende Datengrundlagen werden mit einbezogen:

Indikator Jahresabschluß

Die Jahresabschlüsse der letzten 3-5 Jahre werden nach objektiven Kriterien geprüft und aufbereitet. Kennzahlen können nach drei Verfahren klassifiziert werden.

Zeitvergleich
Durch einen Vergleich der Unternehmensentwicklung der letzten Jahren werden Trends und Entwicklungen mit negativen/positiven Tendenzen sichtbar
Betriebsvergleich
Die Kennzahlen des Jahresabschlußes werden mit den Durchschnittsdaten der Branche verglichen. Spürbare Abweichungen gelten als Stärke bzw. Schwäche des Unternehmens. Einschränkungen dieser Vergleichsdiagnostik liegen darin, dass es hier lediglich um Durchschnittswerte geht, die keine präzisen Aussagen zulassen
Normenvergleich
Hier werden Unternehmenskennzahlen mit normativen oder statistisch abgeleiteten Prüfkriterien verglichen. Sind diese Kriterien aus der empirischen Insolvenzforschung abgeleitet, so ist dieses Verfahren den anderen beiden Verfahren überlegen, da die Prüfkriterien eine genaue Diagnose ermöglichen.


Indikator Qualitative Unternehmensdaten

Neben dem Jahresabschluß ergänzen qualitative Unternehmensdaten die Analyse. Sie sollten die zukunftsgerichteten Bestandschancen eines Unternehmens aufzeigen. Ein spezielles Risikoprofil entsteht durch die Bewertung der Chancen- und Risikofaktoren in folgende Themenbereiche:

STRATEGIE
CONTROLLING
RISIKOMANAGEMENT
FINANZSTATUS UND -RISIKEN
KUNDEN UND LIEFERANTENPROZESS
PRODUKT- UND MARKTPERSPEKTIVEN
INHABER, MANAGEMENT UND MITARBEITER
PROZESS- UND IT-STRUKTUREN

Indikator Zahlungsverhalten

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das frühere Zahlungsverhalten gegenüber Lieferanten, Leasinggesellschaften, der Bank etc. Daraus resultieren wichtige Aussagen über die Solidität des Unternehmens. Insolvenzanträge, Vergleiche, Scheck- und Wechselproteste, Kontenpfändungen etc. schlagen sich im Rating negativ zu Buche. Gerade in diesem Themenbereich kann ein Unternehmen deutliche Plus- oder Minuspunkte im Ratingergebnis verbuchen.


Indikator Unternehmensumfeld

Die Prüfung des Unternehmensumfeldes ergibt sich aus Erfahrung, dass Unternehmenskrisen meist aus einer Kombination interner und externer Faktoren entstehen.

Neben der allgemeinen Branchenstruktur spielen in diesem Themenbereich folgende Merkmale eine Rolle:

Marktentwicklung (Wachstumschancen, Preispolitik)
Internationale Wettbewerbsfähigkeit
Konjukturabhängigkeit
Konzentrationsentwicklung und Gründungspotential
Allgemeine Insolvenzgefahr der Branche
Technologische Entwicklungen


Welche Methoden werden angewandt?

Subjektive (von der Person des Analysten abhängig) oder objektivierte (statistische, empirisch getestete) Verfahren werden angewendet. In der Praxis läuft die Analyse auf eine Kombination beider Verfahren hinaus.

Probleme und Diskussionsbedarf

Ein Kritikpunkt liegt in der Anwendung bei KMUs (kleine und mittelständische Unternehmen). Ratings sind teuer und wurden ursprünglich für Grossunternehmen entwickelt. KMUs haben meist weder den Finanzbedarf noch die Ressourcen, um sich solch eine aufwendige Analyse, die mittelständische Unternehmen immerhin einen fünfstelligen Betrag kostet, leisten zu können oder zu wollen. Banken sind auf die Anforderungen vergleichbarer interner Ratings personell noch nicht vorbereitet. Es ist anzunehmen, dass hier enorme zusätzliche Anforderungen auf die Banken zukommen.

Zudem sind KMUs nicht mit den Grossunternehmen vergleichbar. Die Wertigkeit des Unternehmers liegt oftmals weit über dem Einfluß anderer Unternehmensfaktoren. Ein besonderer Fall hier sind auch Freiberufler. Die Stärken und Schwächen eines solchen Unternehmens liegen in der Person und im Know-How des Inhachen Unternehmens liegen in der Person und im Know-How des Inhabersrsrs begründet. Diese Kriterien aber bleiben beim Rating weitgehend unberücksichtigt.

Wie geht es weiter?

Die Entscheidungen des zweiten Konsultationspapiers befinden sich noch in der Diskussionsphase. Durch die unterschiedlichen Finanzstrukturen der beteiligten Länder gibt es noch einige Uneinigkeiten. Bundeskanzler Schröder hat erhebliche Bedenken gegenüber des Basler Entscheidung bzgl. der Belastung und Kosten für den Mittelstand erklärt (Quelle: FAZ v. 1.11.2001). Im Grundsatz allerdings steht die Entscheidung des zweiten Konsultationspapiers.
Die entsprechenden Richtlinien sollen dann bis ANFANG 2005 in Kraft treten, um allen Beteiligten ausreichend Zeit zur Umsetzung zu geben.



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