Diktatur in der Schweiz
Geschrieben von Swissman am 29. Januar 2001 17:07:56:
Das diesjährige WEF (World Economic Forum) in Davos vermittelte uns allen eine überzeugende Vorführung, wie es sich in einer Diktatur lebt: Da ich "nur" ca 60 Kilometer Luftlinie von Davos entfernt lebe, wurde man selbst hier von allgegenwärtiger Polizei schikaniert und kontrolliert... Am Samstag wurde Davos vollständig von der Aussenwelt abgeriegelt (wo käme man denn da hin, wenn die Chefglobalisierer mit dem Anblick einer Gegendemonstration belästigt würden...) - Ab Landquart (von hier aus drei Dörfer weiter) wurden sämtliche Bahnverbindungen nach Davos auf Anordnung der Polizei gekappt (dabei soll es ein Menschenrecht namens "Bewegungsfreiheit" geben...).
Wie kam es dazu? - Bereits seit Wochen wurden die Demonstranten von der Bündner Regierung, sowie vom "Blick", das ist DIE Schweizer Boulevard-"Zeitung", richtiggehend verteufelt. Das es zu Ausschreitungen kommen würde, wurde von Vornherein als erwiesen unterstellt... Als Höhepunkt der Primitivität fragte die Führung der Polizei sogar bei mehreren Bauern an, ob sie die Polizei mit Jauche, zum Einsatz gegen die Demonstration, beliefern würden - als ob die Bauern nichts gescheiteres zu tun hätten, als die Globalisierer, die zu einem erheblichen Teil an ihren Problemen mitschuldig sind, auch noch zu schützen... - Dümmer, als die Polizei erlaubt, ist man versucht zu sagen!
Item, die WEF-Gegner kamen (natürlich!) trotzdem (oder vielleicht sogar erst recht), wurden aber bei Landquart gestoppt. Nach längerer Blockade (dabei kam es zu einzelnen Scharmützeln, die aber nach Aussage von Journalisten und Einheimischen durchwegs von nervösen Polizisten ausgingen - die WEF-Gegner leisteten demnach nicht einmal Gegenwehr!) der Demonstranten im Bahnhof (dieser war bereits Tage zuvor mit Stacheldraht und Gittern umzäunt worden) wurden diese mittels Sonderzug nach Zürich zurückspediert (dieser Teil ist bewusst recht knapp gehalten - für einen ausführlicheren Bericht habe ich unten einen Link zur NZZ angegeben).
Zu dem Zeitpunkt hatten die WEF-Gegner einen grossen PR-Erfolg errungen: Auf allen Kanälen wurde über ihren friedlichen Protest, und ihre, zum grössten Teil berechtigten, Anliegen berichtet, während die Polizei, bzw ihre Auftraggeber, nicht besonders gut wegkamen.
Wieder in Zürich kam es zu massiven Krawallen, und hier wird es interessant: Wie man in der "Sonntags-Zeitung" staunend erfuhr, standen in Zürich zu dem Zeitpunkt ganze 20 (in Worten: zwanzig!!) Polizisten zur Verfügung - das Gros der Mannschaften war nach Davos ausgeliehen worden, und musste erst wieder per Hubschrauber eingeflogen werden... Die Verantwortlichen wollen uns nun weismachen, dass es für sie nicht vorhersehbar gewesen sei, dass die Demonstranten, die man mit einem Sonderzug nach Zürich fuhr, dort auch aussteigen würden... Tut mir leid, aber ein solch gerüttelt Mass an Dummheit traue ich selbst der rot-grünen Zürcher Regierung nicht so ohne weiteres zu!
Doch es wird noch seltsamer: Von Leuten, die im Zug waren, wurde mir überzeugend versichert, dass der Sonderzug in Zürich von Vermummten Gestalten empfangen wurde. Diese trugen teilweise Stöcke, und trugen Transparente des "RAZ" ("Revolutionärer Aufbau Zürich) und der "TKP-ML" (Türkische Kommunistische Partei) - von wenigen Trittbrettfahrern abgesehen kamen demnach die Randalierer aus dieser Gruppe. In den Medien wurde teilweise gemeldet, dass mehrere Randalierer von anderen Demonstranten angegriffen, und am Weitermachen gehindert wurden. Es ergibt sich also für mich das Bild von friedlichen Demonstranten, die von professionellen Chaoten gezielt in Misskredit gebracht wurden, was ihnen teilweise (leider) ja auch gelungen ist, haben die Verantwortlichen jetzt doch endlich einen "Grund" (Vorwand, ist man versucht, zu sagen), um ihr Vorgehen zu rechtfertigen (soweit es die Veranstalter des WEF betrifft sonnt man sich jetzt im Glanz der Selbstgerechtigkeit: "Wir sind die Guten, SIE sind die Bösen"). Dass man Randale in Zürich mindestens stillschweigend in Kauf genommen hat, scheint für mich evident zu sein. Aber persönlich neige ich zur Vermutung, dass hier nicht Dummheit, sondern Absicht Regie führte, d. h. dass von höherer Stelle her bewusst der Versuch unternommen wurde, vom eigentlichen Thema abzulenken...
Interessanterweise geht die Rechnung aber nicht auf: Im Volk (zumindest in meinem Bekanntenkreis) ist man sich sehr wohl bewusst, dass die gewalttätigen Radaubrüder nur eine kleine Minderheit sind, die Anliegen der Globalisierungsgegner jedoch werden im Grossen und Ganzen durchaus geteilt. Vor allem aber verurteilt man die Vorgehensweise der Polizei, bzw. der verantwortlichen Behörden.
- Uuups, jetzt hab ich doch glatt den Link vergessen :-( Swissman 29.1.2001 17:12 (0)