Die Bedeutung Nepals für Rotchina

Geschrieben von Swissman am 23. August 2004 02:41:29:

Als Antwort auf: Re: Nepal: Kommunisten belagern Hauptstadt geschrieben von Johannes am 23. August 2004 01:21:04:

Hallo Johannes,

>Kannst Du etwas dazu sagen, ob der Kampf nur eine lokale oder auch eine strategische Bedeutung hat?

Die beiden Giganten Rotchina und Indien sind seit jeher Rivalen (Rotchina hat daher einen Teil seines Nuklearsenals in Tibet stationiert, von wo aus sich Indien mit minimalster Vorwarnzeit angreifen liesse). 1962/63 haben die beiden bereits einmal, vorwiegend im Hochgebirge, Krieg gegeneinander geführt. Indien verlor dabei die Kontrolle über Teile Ladakhs, darunter der strategisch wichtige Karakorum-Pass und Teile Assams.

Die wichtigste Folge des Krieges besteht im Verlust des Karakorum-Passes: Damit gewann Rotchina erstmals eine brauchbare Landverbindung zu seinem Verbündeten Pakistan, der ebenfalls drei Kriege gegen Indien geführt (und verloren) hat. Die Verbindung über den Karakorum wurde seither ausgebaut (auch wenn die Bezeichnung "Karakorum-Highway" reichlich übertrieben ist) und wird insbesondere zur Belieferung Pakistans mit rotchinesischem Rüstungsmaterial verwendet.

Da Rotchina und Indien durch Himalaya und Transhimalaya getrennt werden, hätte ein Angriff mit Bodentruppen gewaltige Hindernisse zu überwinden und ist überhaupt nur dort möglich, wo ein brauchbarer Pass zur Verfügung steht. Rotchina muss daher, sei es um tatsächlich anzugreifen, sei es um Indien durch die blosse Möglichkeit eines Angriffes, interessiert daran sein, die wenigen Gebirgsübergänge möglichst unter seine Kontrolle zu bekommen.

Ein wichtiger Verbündeter Rotchinas ist der indische Nachbar Burma. In Burma unterhält Rotchina einen grossen Flottenstützpunkt mit angeschlossener Sigint-Station (Sigint = SIGnal INTelligence - nachrichtendienstliche Auswertung von elektronischen Kommunikationsmitteln). Abgesehen von dem hier möglichen Zugang zum Indischen Ozean ist Burma auch wegen der "Burma-Strasse" von erheblicher Bedeutugn: Diese wurde von den Allierten im Zweiten Weltkrieg gebaut, um die Nationalchinesen unter Tschiang Kai Schek gegen die Japaner mit grossen Mengen Nachschub zu beliefern.

Die Strasse hatte nach dem Sieg über Japan ein Schattendasein geführt, wird aber seit einigen Jahren wieder massiv ausgebaut, was Indien verständlicherweise nicht gern sieht.

Nun zurück nach Nepal: Die dortigen Aufständischen folgen dem Maoismus, was allein schon auf rotchinesische Unterstützung hinweist. Die nepalesische Hauptstadt Kathmandu liegt an einem der wenigen Himalaya-Übergänge, die mit Motorfahrzeugen benutzt werden können. Zudem liegen Teile Süd-Nepals bereits in Ausläufern des flachen Schwemmlandes des Ganges. Von hier aus wäre gegebenenfalls ein Vorstoss mit Panzerkräften gegen die nordindischen Bevölkerungs- und Wirtschaftszentren möglich.

Eine Maoistische Machtergreifung in Nepal wäre daher strategisch von höchster Bedeutung und würde die Situation Indiens erheblich verschlechtern. Ein weiterer strategisch wichtiger Pass führt durch den zwischen Nepal und Bhutan gelegenen Kleinststaat Sikkim. "Zufälligerweise" wird die an Sikkim und Bhutan angrenzende indische Provinz Assam ebenfalls von maoistischen Aufständischen geplagt. Und in Sri Lanka wird über rotchinesische Spenden an die Sri-Lankische KP spekuliert.

Meiner Ansicht nach muss man den Krieg in Nepal in einem viel grösseren Zusammenhang betrachten: Es handelt sich hier um einen Bestandteil einer rotchinesischen Gesamtstrategie, die auf die Einkreisung Indiens und, als Folge davon, die Vorherrschaft in Südasien abzielt.

Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob hinter den letzte Woche gemeldeten Unruhen auf den Malediven möglicherweise ebenfalls eine rotchinesische Einflussnahme anzunehmen ist..

Die Lage des Inselstaates ist jedenfalls strategisch in dreifacher Hinsicht sehr interessant: Ein Flotten- und Luftwaffenstützpunkt auf den Malediven würde einerseits die Einkreisung Indiens vervollständigen, andererseits ist es von hier aus nicht sehr nach Diego Garcia, wo sich einer wichtigsten Übersee-Stützpunkte der USA befindet (die USA unterhalten hier einen Stützpunkt für strategische Bomber, einen Tiefwasserhafen sowie grosse Lagerhäuser mit Kriegsmaterial für mehrere Divisionen).

Nicht zuletzt liesse sich mithilfe einem U-Boot-Stützpunkt auf dem maledivischen Archipel gegebenenfalls auch der Erdöltransport vom persischen Golf nach Europa und Nordamerika einerseits, zu den fernöstlichen Wirtschaftsmächten andererseits, kontrollieren, bzw. unterbinden.

mfG,

Swissman


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