Re: Die maßlose Hybris selbstgebackener Gottesbegriffe
Geschrieben von HotelNoir am 19. August 2004 08:14:05:
Als Antwort auf: Die maßlose Hybris selbstgebackener Gottesbegriffe geschrieben von Salim am 19. August 2004 02:18:49:
>Also hier extra für Dich ein paar Eckpunkte der Wirklichkeit.
>Gott ist in uns und wir sind in Gott. Wir leben in und durch Gott.
>Jeder Mensch ist Gott gleich nah, egal was er grade tut oder fühlt, denn
>Gott ist kein Wesen sondern ein Zustand. Der Zustand - Gott - ist durch totales Loslassen zu erreichen. Das ist theoretisch in jedem einzelnen Moment des Lebens möglich.
>Der Mensch und die Welt und Gott sind Eins. Die Wahrnehmung der Trennung beruht auf der Illusion, das wir ein "Ich" besitzen.
>Grüsse HotelNoir
>Es mag bei Dir zutreffend sein dass Deine persönliche Göttlichkeit in der Lage ist... Dunkelelbin
>b.
>Grüß Gott, Hotel Noire, Dunkelelbin,
>ich halte es für einen krassen Fall von Unbescheidenheit und Selbstüberschätzung, wenn wir uns so unseren eigenen Gottebegiff basteln, wie ihr das da oben macht. Es ist unbescheiden und selbstüberschätzend, dabei auf eigene Überlegungen zu setzen, wenn Gott doch den Menschen Boten gesandt hat, ihnen ihre Rolle auf der Welt zu erklären und den Zweck zu nennen, weshalb Er sie in die Existenz gebracht hat. vgl. "Die Ehre der Kinder Adams. Wozu wir auf Erden sind". Wir sollten nicht so eingebildet und respektlos sein, zu glauben, das einfach überhören zu können, was uns diese Boten Gottes übermittelt haben, was Er uns durch sie offenbart hat.
>Und wenn ich lese: "Also hier extra für Dich ein paar Eckpunkte der Wirklichkeit", kann ich nur sagen: O, sehr großzügig! Daß Gott in uns - "Er ist uns näher als unsere Halsschlagader" - und wir in Gott wären, wir in und durch Ihn leben, ist wahr und falsch zugleich. Denn wenn zu unserem Leben nicht nur die Wirklichkeit selbst gehört - eigentlich gibt es nur Ihn -, sondern zugleich unser Verständnis der Wirklichkeit, unser Geist, dann ist weder Gott in uns als geistigen Wesen, noch wir in Ihm, wenn wir gegen Seine Gesetze verstoßen, Seine Existenz leugnen, Seine Gesandten verachten.
>Und daß jeder Mensch Gott gleich nahe wäre, ist eine elende Lüge. Die, die gegen Seine Gesetze verstoßen, Seine Existenz leugnen, sind ihm keineswegs so nah, wie ein Heiliger, der jeden seiner Atemzüge Gott weiht und in jedem Augenblick seines Lebens in der Göttlichen Gegenwart ist. Und die oben gegebene Begründung bleibt rätselhaft: Denn gerade wenn Gott kein Wesen, sondern ein Zustand wäre, der dann ja auch erreicht oder verfehlt werden kkönnen muß, sofern das Loslassen gelingt oder nicht, muß es doch falsch sein zu sagen, jeder Mensch wäre Gott, unabhängig von dem, was er tut oder fühlt, gleich nah. Weil die Geistigkeit des Menschen, seine Absichten, wesentlich mit zu seiner Wirklichkeit gehören, kann er in ihnen und durch sie von Gott eben unendlich weit entfernt sein.
>Klar können Gott und Mensch eins werden, wenn der ins Meer eintauchende Wassertropfen jubelt: "Heyy, jetzt bin ich Meer!". Doch ist das eine schwere Aufgabe, sich selbst aufzulösen. Da braucht es himmlische Unterstützung und die Hilfe derer, die das schon einmal gemacht haben. Hierzu ein paar Worte Großscheikh Abdullah Ad-Daghistânis, möge Gott seine Seele heiligen:
>»...Die meisten Sufi-Pfade offerieren Schülern eine fortschreitende Entschleierung des Herzensauges, was durch die Übung des Dhikr, die Erinnerung an Allâh, erreicht wird. Diese spirituellen Übungen können verschiedene der Heiligen Namen des Herrn und andere spirituell wirksame Formeln enthalten. Einige von ihnen beinhalten Praktiken, die geeignet sind, die Grenze der weltlichen Wahrnehmung aufzubrechen und den Übenden in einen Zustand andersartigen Bewußtseins zu versetzen. Solche Praktiken mögen die Wiederholung vieler, vieler tausend heiliger Wendungen beinhalten, gelegentlich mit Atemübungen und oft mit physischen Bewegungen verbunden. Der Schüler mag durch beharrliche und hingebungsvolle Übung dieser Methoden zweifellos geistige Zustände erfahren und, vom normalen Zustand des Bewußtseins aus betrachtet, unvorstellbare Stationen erreichen wie, daß er sich angesichts der Wunder eines geheimnisvollen und verborgenen Aspekts der Schöpfung durch ein himmlisches Tor fliegen fühlt.
>Falls deine Augen in dieser Weise geöffnet worden sind und du von weiten Ausblicken, die dir gewährt wurden, gänzlich betört bist, dann sei gewarnt, daß, solltest du auf den Naqschibandi-Weg setzen, dein farbenfrohes Gefieder gestutzt und mit dem bescheidenen Mantel der Verborgenheit vertauscht werden wird. Denn der Hauptunterschied zwischen dem Naqschibandi-Weg und anderen Wegen ist, daß, während jene geben, wir hinwegneh–men. Alles muß gehen: sogar deine eigenständige Existenz. Nur jene, die darauf vorbereitet sind, einen solchen Schritt zu tun, können wirklich Naqschibandi-Murîden sein.
>Unser Großscheich erklärte das damit, daß, solange ein Tropfen vom Himmel fällt, er „Tropfen“ genannt wird, doch wenn er ins Meer fällt, er nicht mehr ein Tropfen ist, sondern ein Meer.
>Also: Wenn jemand an spirituellen Rängen und Kräften interessiert ist, mag er sie erlangen, indem er irgendeinem der vierzig Sufi-Wege folgt, da diese äußerst effektiv sind. Durch die Rezitation der Schönsten Namen Allâhs erhält ein jeder entsprechend seiner Absicht eine Fülle von Wohltaten, doch sollte der ernsthafte Sucher schließlich von Reue dafür überwältigt werden, daß er Zuständen und Rängen nachgejagt war. Eines Tages wird er durchschauen, wie er der Ablenkung zum Opfer fallen konnte, und sagen: „O mein Herr, ich war in einem Zustand, da ich mich selbst verschwendet und meine Anstrengungen auf etwas anderes als Dich gerichtet habe.“
>Ja, wenn ein Suchender sein Leben in jenen Zuständen aushaucht, wird er bedauern, daß sie ihn von der Suche nach Seinem Göttlichen Antlitz nurmehr abgelenkt haben; deshalb ist uns befohlen, denen, die uns folgen, ihre spirituellen Verzierungen zu beschneiden, so daß sie ihrem Herrn mit den Worten vorgestellt werden können: „Dies ist Dein Diener ,Niemand'. Nimm, o Herr, Deinen Diener an, der für sich allein verloren und nur für Dich ist.“ Das ist unser höchstes Ziel und, unseren Schülern zu helfen, einen solchen Zustand zu erreichen, unsere Pflicht...« (Abdulllah ad-Daghistâni, "Der Naqschibandi-Weg", S. 9ff.
>Wenn du, Hotel Noire, sagst, jenes "totale Loslassen" sei in jedem Augenblick des Lebens "theoretisch möglich", dann sagst du, weil, was "möglich" ist, genau das ist, was "theoretisch" ist, damit nicht bloß so Eigenartiges wie, daß das in jedem Augenblick "theoretisch theoretisch" oder "möglich möglich" sei, es kann im ganzen doch auch nur als Geschwätz empfunden werden, wenn es bei bloßen Möglichkeiten bleibt, da uns doch die Wirklichkeit interessiert. Wenn wir das wirklich machen wollen, müssen wir wissen, daß es dazu besonderer Anstrengungen bedarf und des Respektes, des Respektes beispielsweise vor der Überlieferung und vor so Leuten wie jenem Indianer. Zu sagen, daß der sich ja auch geirrt haben könne, halte ich zwar für logisch möglich: Es ist aber einfach respektlos, das in diesem Zusammenhang zu sagen.
>Nein, so geht das nicht.
>Gruß,
>SalimHi Salim,
Sprache ist ein Werkzeug für den Verstand. Mit der Sprache zu versuchen, den Verstand zu überlisten ist eine schwierige Sache. Manchmal versuche ich es. Natürlich kann man das immer problemlos widerlegen.
Das Loslassen ist nicht nur theoretisch sondern auch praktisch möglich, ich habe das umgangssprachlich ausgedrückt, weil es ja sowenig Menschen tun. Nötig dafür ist nicht eine ungeheure Anstrengung und komplizierte Techniken, sondern eben genau das Loslassen von der Vorstellung das alles so schwierig und anstrengend ist. Das ist alles unser Ego und unser Verstand der uns das suggeriert. Jeder "Erleuchtete" lacht zuerst einmal darüber, wie einfach es ist erleuchtet zu sein.
Grüsse HotelNoir