Re: Rubrik 'Terror Total', thema heute: Präsident Bush ruft 'Monat der Warnungen

Geschrieben von Johannes am 11. August 2004 16:17:19:

Als Antwort auf: Re: Rubrik 'Terror Total', thema heute: Präsident Bush ruft 'Monat der Warnungen geschrieben von Apollo am 11. August 2004 14:58:50:

> da gibt es aber auch die Variante, dass so ein Anschlag zum Vorwand genommen
> wird..um die Wahlen abzusagen,und mit Notstandsgesetzen weiter zu regieren.
> Diesbezügliche Überlegungen waren offiziel in den Nachrichten zu vernehmen.


Hallo Apollo,

das sind 2 unterschiedliche Sachen. Gerade deshalb, weil anzunehmen ist, daß ein Anschlag die Wahlen massiv beeinflussen wird, ist es sinnvoll, den Terroristen diese Einflußmöglichkeit zu wählen. Direkt unter dem Eindruck des Schocks werden die Wähler anders wählen als vielleicht 6 Wochen später - wenn man also bereit ist, die Wahlen im Notfalls zu verschieben, so haben die Terroristen weniger Erfolgsaussichten, daß ihr Gemetzel den gewünschten Erfolg haben wird. Allein die Ankündigung, man würde nicht unter der Beeinflussung von aktuellem Terror wählen, könnte also ein Blutbad verhindern.

Dies ist der eine Punkt, nämlich der Sinn der Verschiebung im Notfall. Das andere ist die übliche Verschwörungsvorstellung: Egal, was geschieht oder auch nicht geschieht, immer war es der böse Bush, der zum Feinbild Nummer 1 erklärt wurde. Gibt es einen Anschlag, war es Bush, weil es ihm angeblich nützen würde. Kommt dennoch Kerry dran, dann war es der Versuch des üblen Bush, aber Kerry sei der neue Mann der Illus. Gibt es keinen Anschlag, war es Bush, weil es ihm angeblich nützen würde. Kommt dennoch Kerry dran, dann war es der Versuch des üblen Bush, aber Kerry sei der neue Mann der Illus.

Sprich, völlig egal, was passieren könnte oder passieren wird, es war immer die große Verschwörung. Und in sofern gebe ich auf diese Argumente nicht viel, denn wenn morgen die Sache anders ausgeht als erwartet, dann wird ja ruhig das Gegenteil behauptet, damit wieder alles stimmig wird. Da betrachte ich lieber die Auswirkungen in der Vergangenheit (Spanien!) und überlege mir, was passieren könnte, ohne vorher einen Politiker zum Feindbild erklärt zu haben, denn das würde meine Brille färben.

> Bei einem Interview mit dem Regisseur Michael Moore hatte dieser gemeint,
> das einzige was eine Wiederwahl von GWB vollends verhindern k ö n n t e..
> wäre vermutlich ein grosser Terroranschlag kurz vor den Wahlen. Weil - so
> wie die Erfahrung in den USA zeigt - das Volk dann " patriotisch " hinter
> ihrem Persidenten stehen würde

Du meinst jetzt wohl die Abwahl?

> (der WTC - Anschlag hat das ja sehr gut gezeigt. Wo plötzlich a l l e Amis,
> quer durchs politische Lager sich so verhalten haben )

Der Unterschied: Damals gab es keine Alternative. Was hilft es, in Zeiten der Bedrohung die eigene Führung zu demontieren und es somit dem Gegner zu erleichtern, das eigene Land zu vernichten? Da kann ich diese Art von Patriotismus nachvollziehen.

Nun haben wir eine andere Situation, es gibt eine Alternative. Und Kerry achtet da klar auf sein Image, daß er das wahre Amerika mit seinen wahren Tugenden vertritt. Das die USA stark sein müßten, um jeden Feind besiegen zu können, aber die USA müßte auch wieder die Werte haben, wie sie unter Bush verloren gegangen seien. Er schafft also eine klare Grundlage, damit er von jedem Patrioten wählbar ist. Und so gibt es nun, kurz vor den Wahlen, eine Alternative, die es am 11.9. nicht gab. Die Amis würden bei einem Anschlag wieder patriotisch zusammenstehen - aber gerade deshalb könnten sie Kerry wählen, der versucht, sich als den wahren Patrioten (der mit den Werten) darzustellen.

> Wie bei AZNAR in Spanien dürfte daher so eine Beeinflussung der Wahl nicht
> automatisch zu erwarten sein..Dort waren ja v o r der Irak - Beteiligung
> schon über 90 % der Bevölkerung klar dagegen. Der Anschlag in Madrid hat das
> Fass dann zum überlaufen gebracht.

Hier stimme ich Dir zu, die Haltung zum Krieg ist in den USA anders als in Westeuropa. Aber nicht jede Haltung und jeder politische Gedanke ist wahlentscheidend. In Spanien wurde trotz der ablehnenden Haltung zum Krieg ganz klar eine Wiederwahl der Regierung erwartet (hier im Forum sogar dann noch, als bzw. weil es den Anschlag gab). Was sich geändert hat, war nicht die politische Richtung der Bevölkerung, sondern sie stellte ihre Überzeugung erst einmal zurück, weil der Anschlag alles überschattete.

In den USA hätte ein Kandidat, der generell gegen Krieg ist, keine Chance, das paßt nicht zur Stimmung in den USA. Aber da achtet Kerry ja auf sein Image, der versucht, sich in der Tradition der großen Präsidenten darzustellen, die eine Aufgabe für Volk und Vaterland zu erfüllen haben, so daß er also der bessere Patriot sei. Der, der Krieg nicht ausweicht, wenn er den USA aufgezwungen hat, der aber alles tut, um ihn zu vermeiden, wenn er nicht nötig sei. Und hier hätte Bush versagt. Und Kerry greift auch die mangelnde Koordination und Effektivität der Geheimdienste an, die einen solchen Anschlag wie den 11.9. erst möglich gemacht hätten.

Sprich, wenn es einen Anschlag geben sollte, dann möchte er als der ersehnte Retter gelten. Der wahre Patriot, der es geschafft hätte, den Anschlag bereits im Vorfeld zu verhindern, während Bush unfähig sei.

Die Änderung der Politik in den USA wird also nicht so stark ausfallen wie in Spanien, aber Kerry bereitet es gut vor, daß er eine patriotische Stimmung für sich nutzen kann. Und somit zählt für mich das Argument, ein Anschlag würde (wegen Patriotismus) der Regierung "nützen", weniger. Sicher, der Patriotismus der Amis ist völlig anders als in Europa, aber entsprechend anders ist auch der Wahlkampf bzw. die Darstellung der Präsidenten.

Gruß

Johannes


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