Re: Heuschreckenplage in Nordafrika - Schistoceria gregaria
Geschrieben von mica am 08. August 2004 16:36:52:
Als Antwort auf: Re: Heuschreckenplage in Nordafrika geschrieben von Dow Jones am 07. August 2004 14:36:56:
>Hast du Quellen für die Artendiversität im Sahel (Diversitätsindices etc.).
>Nach meinem Dafürhalten dürften dort aufgrund der ariden Verhältnisse ja eigentlich nur Spezialisten überleben können.
>Wobei es auf alpinen Magerrasen durchwegs eine sehr hohe Biodiversität gibt, einmal vgl. mit den artenarmen nährstoffreichen Fettwiesen oder Lägerfluren.
>Aber hier ist die eben die Feuchtigkeit ausreichend gegeben.
>Gruß
>d.Der Norden Afrikas, vom Maghreb bis zur Sahelzone, ist von der größten Heuschreckenplage seit 15 Jahren bedroht. In Mauretanien sind bisher 45 Schwärme gesichtet worden, weitere werden in Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen aufsteigen und sich mit dem Wind auf die Reise nach Süden und Südosten machen, bis in den Tschad und den geplagten Sudan. Die Schwärme sind groß, bis zu 8 Quadratkilometer, in denen sich auf jedem Quadratmeter 200 Individuen der Wüstenheuschrecke Schistoceria gregaria drängen: Jede Einzelne frisst täglich so viel Biomasse - alles, was grün ist -, wie sie selbst wiegt, 2,8 Gramm. Ein Quadratkilometer Schwarm verbraucht am Tag so viel wie 80.000 Menschen, genaue Schadensziffern sind nur für seltene Fälle bekannt: 1958 fielen der Gier in Äthiopien 167.000 Tonnen Getreide zum Opfer, genug für eine Million Menschen und ein Jahr. Die Schrecken kommen nicht von alleine, Schistoceria braucht das richtige Klima, erst einmal muss es regnen, die Weibchen legen ihre Eier gern in den nassen Sand. Geregnet hat es letzten Herbst im Maghreb gerade genug. Wenn die Jungen schlüpfen, leben sie zunächst - als Nymphen oder auch "Hüpfer", sie haben noch keine Flügel - alleine. Dann muss es trocken werden, und das Futter muss knapp werden. Dann tun sie sich zusammen, ändern im letzten Entwicklungsschritt Farbe und Gestalt und machen sich auf den Marsch, zunächst wirklich auf den Marsch, sie hüpfen in breiten Bändern durch die Wüste, 1,5 Kilometer in der Stunde. Kommt endlich ein Morgen, an dem die meteorologischen Bedingungen stimmen, erheben sich zwei Stunden nach Sonnenaufgang Millionen zugleich in die Luft und machen sich mit 20 Kilometern pro Stunde - so rasch können sie aus eigener Kraft fliegen - auf bis zu 5000 Kilometer lange Reisen. Bei gutem Wind kommen sie 100 Kilometer am Tag voran, und der Wind ist in der jetzigen Jahreszeit unglücklicherweise gut, er weht Richtung Sahel. Dann verdunkelt sich der Himmel, der Pharao musste es erleben: Auch die neunte Plage, die Finsternis, wird von manchen Interpreten den Heuschrecken zugerechnet. Trotzdem sind die Schwärme gar nicht so leicht zu finden. Mögen sie in kilometerbreiten Bändern durch die Wüste hüpfen, die Wüste ist riesig. Und wenn sie sich einmal zu Schwärmen erhoben haben, fliegen die oft hoch oben. Zudem fließen die Informationen zwischen den Staaten schlecht, keiner gibt gern zu, dass er einen Schwarm im eigenen Land übersehen hat. Bekämpfen kann man sie nur mit harter Chemie, immerhin, als ein Schwarm im Mittelalter über Rom herfiel, half selbst die Exkommunikation durch den Papst persönlich nichts. Aber das Mittel der Wahl, das Organophosphat Malathion, hat den Nachteil, dass es auch die schädigt, die Heuschrecken verzehren, Vögel, Eidechsen, auch Menschen, deren kahl gefressene Felder oft dick mit nahrhaften Kadavern bedeckt sind. Mildere Mittel sind in Erprobung, aber sie sind teuer, die Welternährungsorganisation FAO fleht: "Internationale Hilfe wird verzweifelt gesucht" (www.fao.org). Bei der letzten großen Plage, von 1987 bis 1989, wurden 300 Millionen US-Dollar an die Front geworfen. Diesmal hat man 40 Millionen und sucht wenigstens 17 weitere. Aber alles Geld hilft nichts: Wenn sie einmal in den Kriegsgebieten sind, kann sie keiner mehr bekämpfen. Und wenn es dort regnet, vermehren sie sich wieder und wandern im Herbst in den Maghreb zurück.
http://www.libyen-news.de/juli_2004_-_teil_1.htm
Gruß
mica