Re: Warum Schröder in Moskau war (zur Bankenkrise in Rußland)

Geschrieben von Johannes am 11. Juli 2004 01:32:27:

Als Antwort auf: wer wirklich überprüfen will was dran ist, hier eine Forschungsmöglichkeit geschrieben von Danan am 10. Juli 2004 15:50:57:

> Aber das wirklich was los ist, belegt schon alleine der Kanzlerbesuch bei
> Putin, wo sich zwei Männer wohl in besonders kritischer Situation treffen.
> Denn was wirklich mit Summerpulse los ist, werden die Leute vom KGB und vom
> BND sicher wissen. Nun wenn also der Große Freund über dem Teich irgend
> etwas vorhaben könnte, was die stabilität Europas gefährdet und vielleicht
> auch Russlands, dann ist es nur allzulogisch wenn die beiden darüber reden.

Hallo Danan,

wahrscheinlich habe ich zu wenig Phantasie. Immer auf die Idee zu kommen, "der große Freund über dem Teich" sei für alles verantwortlich, darauf komme ich einfach nicht...

Beim Besuch von Schröder in Moskau geht es offiziell um die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Gasfirmen. Was aber ebenfalls eine Rolle spielen dürfte, ist die Tatsache, daß Rußland kurz vor dem Finanzkollaps steht. Da in diesem Fall Deutschland leicht mitgerissen würde, schweigt Schröder z.B. zum Verhalten der russ. Regierung im Fall Yukos, obwohl der alles alles andere als rechtsstaatlich behandelt wird (bzw. zumindest nicht gleichartig zu anderen Firmen).

Beachten sollte man:

- Auch unsere Staatsverschuldung ist katastrophal. Neben den Maastricht-Kriterien (max. 3% Neuverschuldung) gibt es auch eine verfassungsmäßige Grenze, nachdem Schulden nur für Inverstitionen gemacht werden dürfen. Etwa 40 Milliarden Investitionen sind geplant bei Schulden in fast gleicher Höhe. Eichel gerät allmählich in Panik, daß seine schöne Steuerschätzung mal wieder nicht stimmt und er auch diese Grenze überschreitet...

- Daher verkaufte die Bundesregierung in der vergangenen Woche russ. Staatsanleihen, die sie noch in ihrem Besitz hatte. Keiner wollte die so recht, da Rußland nicht mehr als erstklassiger Schuldner gilt, und so mußte Eichel noch eine Garantie drauflegen: Wenn Rußland die Anleihen nicht zurückzahlt, steht die Bundesregierung mit 20% dafür ein.

- Nochmal, damit es nicht untergeht: Deutschland garantiert somit also russ. Staatsanleihen! Daß Deutschland sich darauf einlassen mußte, zeigt einerseits, wie ernst unsere wirtschaftliche Situation ist, andererseits hat Deutschland nun auch ein besonderes Interesse daran, daß es Rußland gut geht. Denn ansonsten sind 1.000.000.000 Euro direkt futsch sowie einige Banken oder Fonds werden in eine Schieflage geraten (bzw. das Vermögen der Fonds steht nicht mehr dem geplanten Konsum zur Verfügung).

Nun zur russischen Seite:

- Es gab einige Bankenpleiten, die russ. Bankwelt befindet sich in einer großen Krise.

- Wochenlang hatten Zentralbank und Finanzaufsicht bestritten, dass sie schwarze Listen über Banken führen. Dennoch kam die „Njesawissimaja Gaseta“ in den Besitz einer solchen Liste. 27 Kreditinstitute sind demnach von der Schließung bedroht, die Namen wurden nicht veröffentlicht. Unter den gegenseitigen Verdächtigungen leiden vor allem kleine Banken. (mehr dazu)

- Die Zentralbank versucht, die russische Bankenkrise radikal zu lösen. Sie gab grünes Licht für einen Kauf der zahlungsunfähigen Guta-Bank durch die staatliche Wneschtorgbank. Sie verschaffte allen anderen Banken mehr Liquidität, indem sie den Mindestreservesatz von sieben auf 3,5 Prozent senkte. Die Banken müssen weniger Eigenkapital zurückhalten. Moodys überlegt dennoch, 18 russische Banken abzuwerten. (mehr dazu)
Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die vorgeschriebene Eigenkapitalquote meines Wissens nach 8% (um 12,5 Millionen ausleihen dürfen, muß eine Bank also 1,0 Millionen Eigenkapital haben, das sie nicht an Kunden verleihen kann)

- Parallel dazu werden der Firma Yukos zuerst die Konten gesperrt. Und weil sie somit nicht zahlen kann, leitet das Finanzamt ein Vollstreckungsvefahren ein und will alles beschlagnahmen. Damit ist die Firma komplett ruiniert, und egal, wie die Werte schlußemdlich aussehen, sie wird dann dem Staat gehören. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wie Putin und Geheimdienst-Kollegen da handeln...

Und genau in dieser Situation fährt Schröder nach Moskau:

- St. Petersburg. Der Tag X für Russlands größten Ölkonzern fiel mit dem gemeinsamen Auftritt Putins und Schröders vor der Business-Elite beider Länder zusammen: Heute hätten die bis zum Vortag im Fall Yukos noch übereifrigen Gerichtsvollzieher erstmals Geld und Güter in Chodorkowskis Öl-Imperium beschlagnahmen können. Doch blieb es um das wegen Steuernachforderungen in Milliardenhöhe vom Bankrott bedrohte Unternehmen ungewöhnlich ruhig.

Auch wenn Schröder vor seinem Flug nach Moskau erklärt hatte, das Thema Yukos als „innere Angelegenheit Russlands“ nicht ansprechen zu wollen – es war trotzdem dem Kanzler zu verdanken, dass der Konzern noch einmal eine Atempause bekam. Das zur Wirtschaftsförderung gedachte hochrangige Treffen sollte wohl nicht durch die Nachricht vom Anfang des Endes des führenden Privatkonzerns Russlands überschattet werden. (mehr dazu)

Nein, hier muß man wirklich nicht spekulieren, was die USA vielleicht alles vorhaben könnten. Rußland steht vor einer Banken- und Wirtschaftskrise und dies droht Deutschland mitzureißen. Und ich denke, daß Schröder genau deswegen in Moskau ist, und nicht nur wegen einem Gasgeschäft.

Gruß

Johannes

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