Off topic: Wo Monsterwellen sich erheben....die unterschätzte Gefahr

[ Prophezeiungen & Aktuelles Weltgeschehen ]

Geschrieben von Templar Templar am 20. Dezember 2001 11:31:26:

ch spürte den Atem Gottes"

Im Südatlantik traf eine 35 Meter hohe Riesenwelle die MS "Bremen". Nur knapp
entging das Kreuzfahrtschiff dem Untergang. Der Horrortörn Ende Februar bestätigt
alarmierende Befunde von Marineforschern: Der Ozean gebiert Berge aus Wasser mit
gewaltiger Zerstörungskraft.

Video: SPIEGEL-TV-Beitrag ansehen

Bei strahlendem Himmel trafen die 137 Passagiere mit dem
Flugzeug in Ushuaia (Feuerland) ein. Im Hafen der südlichsten
Stadt Argentiniens wartete bereits das von der Reederei
Hapag Lloyd betriebene Traumschiff MS "Bremen" – frisch
gestrichen, 111 Meter lang.

Mit steif gebügelter Uniform, das Silberhaar unter die Mütze
gekämmt, nahm Kapitän Heinz Aye, 65, die Gäste in Empfang.
Fleischbarone, Chirurgen, Bankdirektoren bezogen ihre
Kabinen. Rund 15.000 Mark kostet der Antarktis-Törn auf der
"Bremen"; doch Geld ist an Bord kein Thema.

Bei lauen Winden ging es zunächst am Kap-Hoorn-Felsen
vorbei durch die Drake-Passage. Am Polarkreis floss
Champagner. Der Chefingenieur Reinhard Fisch saß im
Maschinenraum, wo gemächlich der Schiffsdiesel wummerte.
Niemand ahnte das kommende Unheil.

Bald tauchten Tafeleisberge auf, Vorboten des verlorenen Kontinents. Vor der Insel King George
erfolgte das erste Ausbooten. Schlauchboote brachten die Gäste an Land. Mit lautem Hallo mischte sich
die Schar unter verdutzt herumwatschelnde Eselspinguine.

Solche Reisen "fernab üblicher Routen" (Hapag) finden starken Zulauf. Die Antarktis, heißt es, mache
süchtig. Nirgendwo sei das Licht so gleißend und die Luft so voller Weltraum. Über 20
"Expeditionsschiffe" sind weltweit im Einsatz. Motto der Reisen: je abgelegener, desto besser.

Aye gilt als Pionier der Szene. 99 Antarktisreisen sind ihm
gelungen. Er hat als Erster mit einem Fahrgastschiff
Spitzbergen umrundet und im Jahr 1996 die berüchtigte
Nordwest-Passage genommen. Dabei knackte der 2,5
Zentimeter dicke Stahlbug der "Bremen" die
Nordpol-Schollen wie Knäckebrot.

Bei ruhiger Fahrt lädt der geborene Thüringer gern zum
Plausch. Sein Kapitänstisch steht in der Mitte des
Vier-Sterne-Bordrestaurants. Russen geigen, livrierte
Stewards servieren Trüffel und Patisserie, während der Navigator galant plaudernd den weiblichen
Passagieren sein Feuerzeug hinhält (Gravur: "Weltmeister im Eis").

Die Tour im Februar war als Abschiedsfahrt geplant. "Meine letzte Reise", erzählt der Seemann. Am 24.
Februar wurde er 65 Jahre alt. Der Cruise Director Gunther Schütze hatte bereits heimlich eine
Geburtstagsparty vorbereitet. Aus der Feier wurde nichts. Am 21. Februar dümpelte die "Bremen" zwar
planmäßig vor den dunklen Sandstränden Südgeorgiens. Sie lichtete pünktlich den Anker und nahm
Kurs auf Rio, der letzten Station. Und die Gäste träumten schon vom Karneval am Zuckerhut. Doch auf
hoher See vollzog sich ein furioser Wandel. "Man konnte das Barometer mit dem Auge fallen sehen",
erzählt ein Fahrgast – eine Szene wie aus John Carpenters "The Fog – Nebel des Grauens". Im Nu hing
am Himmel schwarzes Gewölk. Aye maß in Böen bis zu Windstärke 14: "Die See begann zu kochen."

Auf Position 45° 54' Süd, 38° 58' West passierte es. Aus der Dünung hob sich eine Woge, so steil, als
hätte Poseidon persönlich sie angeblasen. Das Logbuch vermerkt einen "Brecher (Seeschlag) von 35
Meter Höhe". In Myriaden Tropfen zerberstend klatschte dieser auf den Stahlrumpf der "Bremen".

Noch auf dem Helicopterdeck riss die Welle Feuerlöscher aus
den Halterungen und knickte Radarmasten um. "Wir wurden
mit Schwimmwesten in den Speisesaal gerufen", erinnert sich
Günther Goldstein, 83, Rentner aus Hannover, "alle hatten
Todesangst."

Zwar gelang es der Reederei, den Vorfall zu verharmlosen. Als
der Havarist vier Tage später in den Hafen von Buenos Aires
geschleppt wurde, stand schon eine Reparaturcrew am Kai –
frisch eingeflogen aus Deutschland. Argentinische
Journalisten, die die Schäden inspizieren wollten, durften
nicht an Bord. "Niemand wurde verletzt", erklärte die Hapag.

Doch das Logbuch, das dem SPIEGEL in Kopie vorliegt,
erzählt eine andere Geschichte. Über 30 Minuten lang trieb
das Schiff manövrierunfähig mit 40 Grad Schlagseite in den
Wellen. Aye ("Ich sah bereits 200 Leichen im Wasser
schwimmen") funkte SOS.

Der Ozean als mythischer Abgrund und Hölle, in dem hilflos der Homo sapiens am Treibholz klammert –
das sind alte Motive der Literatur. Ob bei Kapitän Ahab, Robinson oder Odysseus – im Meer der Dichter
spritzt die Flut gern himmelwärts. Nur kann der Wind wirklich 35 Meter hohe Wogen anblasen?

Bislang galten Riesenwellen, die "Kaventsmänner", eher als Phantasiegebilde. Zwar existieren Bilder
von beschädigten Schiffen. Die höchste je erspähte Welle, "112 Fuß" (34,14 Meter) hoch, soll im Jahr
1933 den US-Kreuzer "Ramapo" getroffen haben.

Doch was passiert da wirklich auf hoher See? 39.000 Handelsschiffe befahren die Weltmeere. Sie
messen das eigene Tempo und die Windgeschwindigkeit. Ein Gerät zur Bestimmung der Wellenhöhe
haben sie allerdings nicht.

Früher galten Berichte über Killerwellen, die aus dem Nichts
auftauchen, als Seemannsgarn

Auch der US-Autor Sebastian Junger schien zu übertreiben. In seinem Bestseller "Der Sturm" reißt ein
30-Meter-Brecher einen Fischkutter vor Neufundland mit einem Ruck in die Tiefe. Regisseur Wolfgang
Petersen verfilmte den Stoff so, als hätte sich ein Schlauchboot in die Niagarafälle verirrt.

Nun jedoch verstummen die Zweifler. Ein Desaster wie die "Bremen" haben auch etliche andere
Luxusdampfer und Handelsschiffe hinter sich; manche tauchten nie wieder auf. Marineforscher sind
einem spannenden Naturphänomen auf der Spur: Der Ozean erzeugt "Monsterwellen".

Vor allem das Projekt MaxWave hat jetzt wichtige
Ergebnisse vorgelegt. Zehn Institute sind an dem von der
EU finanzierten Vorhaben beteiligt, darunter der britische,
norwegische und französische Wetterdienst, aber auch
Werften, der Schiffs-TÜV "Norske Veritas" und die
Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt.

Im Oktober traf sich der Trupp im norwegischen Bergen,
um eine Schadensbilanz zu erörtern: Zwischen 1995 und
1999 sanken allein im Nordatlantik mindestens 27 Schiffe
durch "Seeschlag". Weitere 48 konnten sich schwer beschädigt in Häfen retten.

Diese Horrorzahlen ergaben sich aus den Unfallstatistiken, die von den Assekuranzen offen gelegt
wurden. Max-Wave-Projektleiter Wolfgang Rosenthal: "Wir waren erschreckt über das Ausmaß der
Schäden."

Was genau zwischen Neufundland und Sylt geschah, mögen die Versicherer allerdings nicht
benennen. "Alle Zahlen wurden uns nur anonymisiert zur Verfügung gestellt", so Rosenthal.

Weltweit sieht es noch schlimmer aus. 167 Schiffe soffen im letzten Jahr nach Angaben des
Lloyds-Registers sanglos auf hoher See ab. 81 der Abgänge stehen in der Rubrik "Totalverluste bei
schwerem Wetter".

"Früher tat man Berichte über gigantische Wellen, die
geisterhaft aus dem Nichts erscheinen, meist als
Seemannsgarn ab", sagt die Mathematikerin Janou Hennig
aus Berlin, "heute wissen wir, dass solche ,Freak Waves' für
viele rätselhafte Schiffsverluste verantwortlich sind."

Sieben Meeresgebiete wurden bislang als verdächtig
ausgewiesen, in denen es besonders zischt und brodelt,
darunter das Bermudadreieck, der Agulhasstrom an der
Ostküste Südafrikas, aber auch die Nordsee.

Wer den schäumenden Salzwasser-Himalajas begegnet, hat
schlechte Karten. Drei Typen von Rekordwellen werden
unterschieden:

"Mauern aus Wasser" mit fast senkrechten Fronten,
die laut summend bis zu zehn Kilometer weit durchs
Meer gleiten;

Gruppen von jeweils drei Extremwogen, "drei
Schwestern" genannt, sowie

Einzelwellen, die sich blitzartig bilden, den normalen Seegang bis ums Vierfache überragen
und nach wenigen Sekunden wieder zusammenstürzen. Solch ein Gebilde wurde der MS
"Bremen" beinahe zum Verhängnis.

Für konservative Ozeanografen kommen die Befunde überraschend. Orkane schaukeln die See kaum
auf 15 Meter Höhe auf. Bohrinseln installieren ihre Plattformen zwar 35 Meter über der Wasserlinie. Aber
dieses Limit, so die Faustformel, erreicht das Meer nur einmal in 100 Jahren.

Die Bauvorschriften der Werften rechnen nur mit Höchstwellen von
16,5 Metern

Auch die Bauvorschriften der Werften orientieren sich an anderen Werten. Der Germanische Lloyd,
einer der schärfsten Schiffs-TÜVs der Welt, rechnet mit "statistisch gemittelten Höchstwellen von 16,5
Metern". An dieser Grenze, so ein Sprecher, sei die Festigkeit der Stahlrümpfe orientiert.

Doch das reicht nicht. Seitenweise sind bei Lloyds die "total losses" fürs Jahr 2000 aufgelistet. Erst
zerbrach die "Iugo", ein rumänischer Eisenerz-Frachter, im Sturm. Dann ging die "Dalias" unter, ein
syrischer Salpetersäure-Tanker mit dünn geätzten Wandungen.

Auch vor alten Nobelkreuzern macht die Dünung nicht halt. Im Juli dieses Jahres soff das abgehalfterte
650-Betten-Traumschiff "Gripsholm" ab. Wenige Tage später folgte die "Hanseatic", auf der einst Lale
Andersen und Ralf Bendix Kaviar aßen. Auf dem Weg zur indischen Abwrackwerft geriet der Kasten vor
Südafrika in einen Sturm.

Der Presse sind die Abgänge solch rostbeplackter Oldies
kaum eine Zeile wert. Und die Versicherer arbeiten
ohnehin gern im Verschwiegenen. Die christliche
Seefahrt, da sind sich alle einig, war stets ein raues
Gewerbe.

Doch nun suchen die Reedereien Schulterschluss mit der
Forschung. Ihnen wachsen die Probleme über den Kopf.

"Die Killerwellen reißen auch 200 Meter lange Frachter in
den Abgrund", erklärt Rosenthal, "seit 1969 wurden mindestens 22 dieser Supercarrier durch
Seeschlag zerstört."

Und selbst "die größten Gebäude der Welt" (ein BP-Sprecher) bleiben nicht verschont. Dicht bei dicht
stehen in der Nordsee hochragende Stahlskelette zur Gasförderung, Bohrinseln und bis zu 800 Meter
hohe Förderpontons, die an den Meeresgrund genagelt sind.

Diese Giganten sind fast alle mit Wellenradar ausgerüstet. Sie haben viele neue Seegangs-Daten aus
der Nordsee geliefert. Resultat: Schon in der Deutschen Bucht geht es zu wie im Hexenkessel. Die
Draupner-Plattform (Betreiber: Statoil) etwa wurde am Neujahrstag 1995 von einem 26 Meter hohen
Brecher befeuchtet.

Am 9. November 1998 kam es noch übler. Es war ein Ausläufer des Hurricans "Mitch" (6000 Tote in
Honduras), der über die Nordsee treibend eine Welle von "extremer Steilheit" anblies, wie es in einem
internen Schadensbericht des BP-Ozeanografen Colin Grant heißt.

Im Winkel von 50 Grad kletterte der Cruiser die grün geifernde
Wellenkrone hinauf

Westlich der Shetland-Inseln traf die Woge auf den schwimmenden Ölspeicher "Schiehallion" und
zertrümmerte ihm das Vorschiff. "Wellen, wie diese existieren statistisch nicht", so Rosenthal.

Peitscht der Treibhauseffekt die Wogen an? Hat die Dynamik der Atmosphäre zugenommen? Dafür gibt
es einstweilen keinen Beweis.

Eine andere Erklärung liegt viel näher: Auch die Expeditionsschiffe fahren zunehmend in
Gefahrenzonen. Walegucken im Ochotskischen Meer, Bergsteigen am Kap-Hoorn Felsen – immer
unbehaustere Meeresgebiete fallen unter den Hammer des Tourismus. Die See rächt sich auf ihre
Weise.

Als das Kreuzfahrtschiff "Bremen" schwer angeschlagen in Buenos Aires an der Pier lag, geriet vor der
Küste Argentiniens schon wieder ein Schiff in Seenot. Diesmal war es die "Endeavour", die am 2. März
in einen Orkan steuerte. Auch dieser Vorfall wurde nie publik.

Eigner des Schiffs ist die Reederei Lindblad mit Sitz in der
Fifth Avenue, New York. Das Gefährt bietet klimatisierte
Kabinen, Pool, einen Haarsalon. Upper Class Manhattan und
betuchte Briten buchen sich hier ein. Kapitän Karl-Ulrich
Lampe, 64, wohnhaft in Oldenburg, ist der einzige Deutsche
an Bord.

Mit 110 Gästen sei er auf den Falkland-Inseln eingetroffen,
erzählt der Kapitän: "Wir gingen in der Hauptstadt Stanley vor
Anker." Lampe steuerte zwei Inseln im Westen des
baumlosen Archipels an, die sich in Privatbesitz befinden. Um
19 Uhr nahm das Schiff Kurs aufs offene Meer Richtung
Feuerland.

Auf eine kurze sternklare Nacht folgte eine "dramatische
Zunahme des Windes" (Lampe). Wütende Böen fauchten
übers Meer. Gegen morgen, mit der aufgehenden Sonne,
stürmte es noch heftiger.

Der Kapitän drehte bei und stellte auf "Sicherheitskurs" um. Dabei wird der Motor auf 2 bis 3 Knoten
gedrosselt und der Bug 20 Grad in den Sturm gehalten. Die Decksmannschaft verkeilte die Schotten zu
den Innendecks mit Stahlstangen.

Am Nachmittag schlug backbords bereits zwölf Meter hoher Seegang an die Reling. Wild stampfend
schob sich der Luxusliner auf Position 53° 03' Süd, 63° 35' West. Ein Rudergänger, ein Ausguck und
der 1. Offizier Göran Persson waren zu dem Zeitpunkt auf der Brücke.

Angestrengt blickte das Team durch das große Panoramafenster. Die Scheibenwischer rotierten. Ein
Geschrei wie von Raubvögeln lag in der Luft. Da plötzlich hob sich ein grün schäumender Koloss aus
dem Wasser, der komplett den Horizont verdeckte.

Die "Endeavour", nur 90 Meter lang, ist ein wendiges Schiff. Tapfer stieg sie den Kaventsmann empor,
kippte über den Kamm – und geriet in ein neues, ungeheures Tal, das sich zu einer Killerwelle
aufwölbte. Auch sie war etwa 30 Meter hoch.

Wieder kletterte der Cruiser, fast im 50-Grad-Winkel, die bleckende Krone hinauf. In den Serviceräumen
polterte Geschirr. Radios, Espressomaschinen gingen zu Bruch.

Auch diese Woge konnte das Schiff noch mit knapper Not erklimmen. Dann war allerdings Schluss: Ein
drittes Ungetüm brauste heran, ganz dicht und steil, mit spritzendem Kamm, als würde es geifern. Wie
ein Pflug stach der Bug des Luxusliners in der Brecher hinein und geriet für Sekunden fast komplett
unter Wasser.

Umgehend trat auf dem nach Panama ausgeflaggten Cruiser der
Ernstfall ein. Der Kapitän griff zur "Epirb-Boje" und warf sie über Bord.
Bei Kontakt mit Salzwasser funkt der Ballon automatisch Mayday. Der
Chronometer zeigte den 2. März 2001 an, 17.31 Uhr Ortszeit.

Schwer lädiert konnte sich das Schiff nach Montevideo retten, wo es
Tage später einlief. Vier Brücken- und ein Kabinenfenster waren
eingedrückt. Steuerbords hatte der Brecher den äußeren Fahrstand
("Brückennock") weggerissen. Die geschlossene Reling
("Schanzkleid") hing abgeknickt am Rumpf.

Wie kann nur solch ein infernalisches Trio über den Ozean rollen? Für
die Forscher ist das Phänomen nicht leicht zu verstehen. Gleich in drei
Städten, Berlin, Hamburg und Hannover, sitzen Experten daran,
Freak Waves in großen Wellentanks nachzubilden. Deutschlands
Wellen-Designer Günther Clauss, Chef am Testbecken der TU Berlin,
erzeugt mit hydraulischen Schaufeln Seegang nach Maß.

Seine Mitarbeiterin Manou Hennig versucht das Gestrudel in Formeln
zu fassen. Kühn zerlegt die Mathematikerin "den Naturseegang mit
Hilfe der Fourier-Transformation in harmonische Anteile". "Im Prinzip",
sagt sie, "ist Wellenphysik ein Teil der Chaosforschung."

Kaum in logische Systeme pressbar, erinnern die Riesenwellen fast an Ungeheuer. Laut schlurfend
saugen sie das Wasser vorne an. Stellt sich ihnen ein Hindernis in den Weg, brechen sie in dieses
hinein. Ihr Tempo liegt bei etwa 50 Stundenkilometern. Und sie besitzen lange, flache Täler und Berge
mit spitzen "asymmetrischen" Kämmen.

Warum aber tauchen die Monster so schlagartig auf? Immer wieder berichten Schiffbrüchige von nassen
Lawinen, die sich wie aus dem Nichts vor ihnen auftürmten.

Auch hierzu liegen Labor-Resultate vor: Eine Freak Wave, von der das Traumschiff "Bremen" getroffen
wurde, entsteht durch die Überlagerung mehrerer Einzelwogen. Sie werden im Huckepack-Verfahren
erzeugt.

Der eindrucksvollste Versuch in diese Richtung gelang dem Marineforscher Walter Kühnlein. Zuerst
erzeugte er im Testtank von Hannover kleine Wellen, die gemächlich durch das 300 Meter lange Becken
schwappten. Dann schickte er höhere, schnellere hinterher. Das Experiment war so angelegt, dass sich
alle Wogen an einem exakt definierten Punkt überlappen sollten.

Nach 120 Metern formte sich aus dem Geplätscher jäh ein Berg aus Wasser, den Kühnlein gezielt gegen
eine Stahlwand lenkte. Dabei spritzte die Gischt so hoch, dass sie das Eternitdach der Halle
durchschlug: "Uns flogen die Trümmer um die Ohren."

Gefährlich ist vor allem der nach vorn gewölbte Kamm der Riesenwellen. Beim Aufprall schließt er Luft
ein und komprimiert sie. Dabei entstehen Drücke von 15 Bar, "genug, um gepanzerte Schiffstüren zu
zerbeulen", so Kühnlein.


Bei Schüttgutschiffen, die schwere Fracht wie Kies oder
Eisenerz laden, räumt die "Internationale Vereinigung der
Schiffs-TÜVs" (IACS) mittlerweile ein, dass es "in Bezug auf
Menschenleben, Schiffe und Fracht unakzeptabel hohe
Verluste" gäbe. Bei schwerem Seegang würden die
Schwertransporter in der Mitte durchknicken wie Salzstangen.

Aber was tun? "Wir brauchen maritime Fahrtenschreiber nach
Vorbild der Blackbox in Flugzeugen", fordert Rosenthal. Auch
ein Wellenradar, wie es die Lüneburger Firma OceanWaveS
entwickelt hat, müsste serienmäßig in Handelsschiffen
eingebaut werden.

Die Reedereien stehen solchen Forderungen eher skeptisch
gegenüber. Mehr Sicherheit bedeutet in ihren Augen auch höhere Frachtkosten. Auf dem Ozean
herrscht ein knallharter Wettbewerb. Über den meisten Containerschiffen flattern die Fahnen von Liberia
und Panama.

Die Wirtschaft fordert bessere Vorwarnsysteme. In Geesthacht werden momentan 30.000 Bilder des
Erderkundungssatelliten ERS-2 ausgewertet. Der Kunstmond, der von der Deutschen Gesellschaft für
Luft- und Raumfahrt betrieben wird, schießt alle 60 Minuten ein Foto von der Meeresoberfläche. Mit
einem neuen Verfahren können die Bilder gezielt nach Solitonen abgesucht werden.

Gleichwohl wird auch in den Werften über die Sicherheit diskutiert. Eine "hochgezüchtete
Schiffselektrik", meint der Experte Kühnlein, entpuppe sich zunehmend als Achillesferse bei den
Havarien. Der größte Frachter der Welt kann 7500 Container tragen. Gesteuert wird er mit einem
Joystick, kaum größer als eine Karotte.

Aber wehe, wenn Wasser an den Steuerknüppel spritzt oder Frischnass in die Bordcomputer sickert.
Dann sind die Hightech-Kähne schnell lahm, taub und blind.

Genau in diese Notlage geriet die "Bremen", der Luxuskahn aus Hamburg. Seine Paniktour im
Südatlantik ist ein Lehrstück über die Nachteile maritimer Elektronisierung. Wo kein Ventil und kein
Kolben mehr ohne Strom funktioniert, besteht erhöhter Bedarf an Rettungsinseln.

Es ist 6.20 Uhr, als laut Logbuch der "sehr schwere Brecher von Backbord über das Backdeck,
Brückendeck sowie Helicopterdeck bis zum Schwimmbaddeck" stürzt. Mindestens 1000 Tonnen
Wasser prasseln auf den Stahlleib des Schiffes.

Kapitän Aye steht im Moment des Unglücks schräg hinter dem
Panoramafenster der Brücke. Unter dem Druck der
Wassermassen zerspringt das Panzerglas. Ein viereckiger
Strahl donnert in den Raum. Der 1. Offizier, Peter Rössler, 31,
wird gegen die Blechverkleidung des Feuermelders
geschleudert. Der Kapitän findet sich unter dem Schaltpult
wieder.

Was für ein Inferno! Alle 26 Geräte auf der Brücke – Radar,
Echolot, Kreiselkompass, GPS und andere nautische
Instrumente – sind sofort kaputt: Kurzschluss. Das Signalhorn
gibt einen Dauerton ab. Die Feuerglocke ertönt, auch der
schrille Ton für "Maschinenalarm". Aus dem Radargerät steigt
blauer Qualm auf.

Selbst der dumpfe Bass der Schiffsdiesel ist verstummt. Das eindringende Salzwasser hat den Notstopp
ausgelöst. "Das Schiff zitterte wie ein Gummiball", erinnert sich der Chefingenieur Reinhard Fisch, der
sich im Maschinenkontrollraum auf Deck 3 aufhielt: "Die Motoren stoppten. Dann erlosch das Licht."

Die "Bremen" ist eine elektrische Leiche. Die sonst quer vom Bug abstehenden Stabilisatoren hängen
schlaff im Wasser. Im Gäste-Fahrstuhl riecht es nach verschmorten Kabeln. Auch die Hauptsicherung ist
rausgeflogen. Die Alarmglocken werden nur durch eine Batterie gespeist, die, so Fisch, "jeden
Augenblick leer sein konnte".

Um das zu verhindern, hastet der Technikchef im Dunkeln die Wendeltreppe im Schornstein hoch, bis
er Deck 7 erreicht. Dort befindet sich die Hauptsicherung. Laut klackend rastet das Relais ein.

Zurück im Maschinenkontrollraum findet Fisch seine Leute in Panik vor. Filipinos laufen in Unterhosen
umher. Der 1. Ingenieur Tonci Katnic, ein Kroate, fummelt im Schock am Brennstoffventil herum.

Die Lage ist dramatisch. Das antriebslose Schiff hat sofort seine natürliche Lage eingenommen. Es liegt
quer in der Dünung, die Experten sprechen von "K.o.-Stellung". Schlag um Schlag rollen die Wellen
gegen die Breitseite. Der Rumpf der "Bremen" antwortet auf die Prügel mit einer Pendelbewegung. Er
beginnt zu "rollen": Er schlingert von Steuerbord nach Backbord.

Was tun? Um einen Motor wie den 6600-PS-Koloss der
"Bremen" zu starten, braucht es viel Strom. Schmieröl- und
Getriebedruck müssen aufgebaut werden. Alle Ventile der
Motoren werden elektronisch angesteuert. Der Start
erfolgt mittels Druckluft, die zwischen die Kolben gejagt
wird. Der Kompressor, der sie erzeugt, arbeitet ebenfalls
elektrisch.

Doch nur ein Hilfsdiesel (HD) ist verfügbar und liefert
Notstrom. HD 2 dagegen liegt wegen einer
Generalüberholung in seine Einzelteile zerlegt in der Ecke. Und auch der dritte Hilfsdiesel ist nicht
einsatzfähig. Fisch: "Wir hatten kurz zuvor den Ladeluftkühler ausgebaut, um ihn zu reinigen." Fisch hat
einfach nicht genug Strom, um den Diesel wieder zu starten.

Im Kopf des Seemanns hämmert es. Schon einmal, 1970, geriet er in Seenot. Damals wäre er fast
ertrunken. Nun hört er wieder das Kreischen des Sturms. Und wieder kriecht das Adrenalin in ihm hoch
und die Angst.

Es gibt nur eine Chance. HD 2 muss repariert werden. Im Schummerlicht der Notbeleuchtung erteilt
Fisch seine Befehle. Sechs seiner Männer packen den ausgebauten Kühler. Es ist ein rechteckiger,
schmieriger Klotz, 150 Kilogramm schwer. Das Schiff wippt und bockt derweil wie ein Rodeostier.

Zu allem Überfluss breitet sich im Maschinenraum auch noch eine unerträgliche Hitze aus. Die beiden
Hauptdiesel – es sind acht mal vier Meter große Motoren aus Gusseisen – strahlen Wärme ab. Die
Belüftungs-Ventilatoren aber stehen still. Auch sie sind durchgeschmort.

Schweißnass, bei 70 Grad Celsius, beginnen die Maschinisten mit dem Einbau des Kühlers. Der
Chefingenieur läuft derweil Richtung Brücke. Wasserkaskaden strömen ihm im Flur entgegen. Es tost
und scheppert in den Kabinen. "In der Bar flog das Klavier durch die Luft."

Am Leitstand angekommen, überfällt Fisch "Hoffnungslosigkeit". Kapitän Aye, sichtlich unter Schock,
steht in seiner Kajüte und stochert in nassen Seekarten. Der 1. Offizier Peter Rössler versucht, das
zersprungene Brückenfenster mit einer Holzplatte zu schließen.

Auf dem Vorschiff, Deck 4, am Ankerspill, hat die Welle ein weiteres Leck gerissen. Ein Schott ist zerdellt
und fast aus dem Rahmen gedrückt worden. Etwa acht Tonnen Wasser sind in die Wäscherei
eingedrungen. Bootsmänner stopfen Bettlaken in die Ritzen.

An ein Ausbringen der Rettungsboote ist wegen der Rollbewegung nicht zu denken. Aye gibt Befehl,
die Gäste aus den Kabinen zu evakuieren. Stewards laufen mit Megafonen durch die Gänge und rufen:
"Kommen Sie sofort in den Speisesaal!"

Josef Merk, ein Sparkassen-Vorstand aus Augsburg, der Kabine 517 gebucht hat, empfindet den
Ernstfall als "ziemlich brutal". Schnell streift er sich die Schwimmweste über. Ehefrau Hildegard schlüpft
in einen Neoprenanzug und ergreift ihren Rosenkranz.

Mit zerzausten Haaren treffen die Passagiere im großen Bordrestaurant ein. Eine alte Dame wird auf
einer Trage hereingebracht. Neele, 3, und Bruder Niklas, 8, aus Hamburg suchen Schutz auf dem
Schoß der Eltern.

Die Schlagseite der "Bremen" ist mittlerweile so groß, dass die Dünung bis gegen die Clubfenster auf
Deck 5 schwappt. Eine Welle drückt so wuchtig gegen die Scheibe im Speisesaal, dass die ganze Front
zittert. Passagier Merk: "Alle dachten: Jetzt birst das Glas."

Jede weitere Leckage hätte in dieser Situation den Untergang bedeutet. Im Rumpf der "Bremen"
stehen zwar wirkmächtige Pumpen, die einströmendes Wasser schnell über Bord saugen. Aber auch
diese Geräte arbeiten nur mit Strom.

Doch das Wunder gelingt. Den Maschinisten, voran der 3. Ingenieur Isabelo Turiana und der Mechaniker
Rolando Duyao, gelingt das schier Unmögliche. Obwohl das ganze Schiff bebt wie ein bockiges Kind,
das den Kopf hin und her wirft und obwohl die Hitze mörderisch ist und das Meer unentwegt Brecher
gegen die "Bremen" schleudert, melden sie nach 30 Minuten: Hilfsdiesel 2 ist wieder flott.

Der Chefingenieur wirft den Kompressor an, bis die Druckluft in der Starterflasche auf 13 bar steigt. Er
baut Öl- und Getriebedruck auf. Dann betätigt er den Startknopf. Ein Knall ertönt – der Kolben im linken
Hauptdiesel beginnt zu stampfen. Jubel brandet auf. Den Mechanikern stehen die Tränen in den
Augen.

Der Bug des Luxusliners reagiert sofort und schiebt sich wieder in den Wind. Gegen Mittag klart es auf.
Die Küche, der das gesamte Porzellan zu Bruch ging, serviert Nudelbrei auf Papptellern. Nach 22
Stunden, alarmiert durch den Notruf, eilt die britische "Shackleton" herbei. Das Forschungsschiff
geleitet den Havaristen bis nach Buenos Aires.

Niemand starb, Tage später schien alles wie ein Spuk. Keine Schlagzeilen drangen von Argentinien
nach Deutschland. Nur im Kopf von Heinz Aye sitzt das Trauma tief. Zurück in seiner Heimatstadt Bad
Orb begibt er sich für Monate in therapeutische Behandlung.

Nachdenklich ist er geworden, der große Korvettenkapitän Jahrgang 1936, Rettungsschwimmer und
Ehrenhäuptling der neuseeländischen Maori. Manchmal dünkt es ihn, als hätten Absicht und Vorsehen
hinter dem Unglück gewaltet. Wollte der Allmächtige beweisen, dass auch er, der schmucke Cap
Hoornier, nur ein Wurm sei und ein hilfloser Wicht vor de


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