Re: Prof. Hankel: Europa auf dem Weg in Diktatur und Pleite
Geschrieben von Marc Malbec am 29. April 2004 10:53:15:
Als Antwort auf: Re: Eichel steht vor Milliardenproblem geschrieben von Madman am 29. April 2004 10:18:52:
Hallo,
die pessimistischen Vorhersagen Robert Münteferings erhalten von Prof. Wilhelm Hankel Bestätigung. In einem Interview mit der Jungen Freiheit spricht Hankel Klartext, und scheut sich auch nicht, das eine oder andere Hätschel-Tabu etwas weniger rücksichtsvoll zu behandeln, als es vom Mainstream gutgeheißen wird.
Prof. Hankel war unter SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller Ministerialdirigent und wird üblicherweise dem eher linken Teil des Parteienspektrums zugeordnet.
Hier einige Auszüge:
Frage:
Sie sprechen von einer „Wanderung in den Westen“. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zum Beispiel geht allerdings von einer Steigerung der Zuwanderung aus Osteuropa um „nur“ 500.000 Menschen aus.Hankel: Es gibt auch andere, bedrohlichere Zahlen. Zum Beispiel das Ifo-Institut in München oder das IZA-Institut der Bonner Universität rechnen mit einer Zuwanderung in den nächsten drei Jahren in Millionenhöhe, etwa aus Polen, der Tschechei, Slowakei, Ungarn und dem Balkan, vor allem nach Deutschland.
Laut DIW-Berlin stellt die für die Verhältnisse in diesen Ländern üppige hiesige Arbeitslosen- und Sozialhilfe einen permanenten Zuwanderungsanreiz dar, da dort die Durchschnittseinkommen weit unter unseren Hilfesätzen liegen. Die Oder-Neiße-Linie wird zum Rio Grande der erweiterten EU werden. Nur daß sie mitten durch diese hindurchgeht und nicht wie in der Neuen Welt zwei unabhängige Staaten trennt. Zusätzlich wird sie noch von Personen aus Ländern jenseits der neuen EU-Staaten überrannt werden, denn die neuen Außengrenzen der EU sind kaum zu sichern.
Frage:
Nach Diktion der etablierten Europa-Apologeten wären Sie ein im „Nationalstaatsdenken verhafteter Gegner Europas“, der Egoismus statt Solidarität postuliert.Hankel: Eine Mutter, die ihr Kind vor dem Fall in den Brunnen schützt, ist eine gute Mutter, keine schlechte. Warnungen sind Ausweis von Sorge, das Gegenteil von Blindheit oder rückständigem Denken. Die in der EU und ihrer fast grenzenlosen Erweiterung - demnächst bis zum Kaukasus - verwirklichte Vision ist zutiefst undemokratisch und ahistorisch.
Europas Bürger haben sich ihre Rechte vor 200 und mehr Jahren nicht erkämpft, um sie an eine Kompanie von Eurokraten abzugeben. Montesquieu würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er hörte, was aus seiner Gewaltenteilung im heutigen Europa geworden ist: Ein Parlament, das nichts - oder nicht genug - zu sagen hat, eine Exekutive - Kommission und Ministerrat - die sich ihre Gesetze selber gibt, wobei nur der Dauerstreit zwischen beiden das Schlimmste verhindert, und ein Volk, das nicht einmal über die „Verfassung“ dieses staats- und völkerrechtlichen Monstrums abstimmen darf.
Und das, obwohl dies unser Grundgesetz entgegen der Behauptung des Bundeskanzlers durchaus vorsieht! Und über allem ein kollektiver Sonnenkönig: ein absolutistischer Herrenclub aus Staats- und Regierungschefs! Das ganze gebildet aus einer Staatengemeinschaft, die Europa mit einer Art goldenen Melkeimer verwechselt, aus dem jeder Einzelstaat versucht, mehr herauszuholen, als tatsächlich Milch darin ist! Vor diesem Europa kann nur gewarnt werden. Es verhöhnt die Hoffnungen, die die Bürger des alten Kontinents mit der Idee Europa seit langem verbinden und die sie verwirklicht sehen wollen.
Was wäre die Alternative?
Hankel: Charles de Gaulles Europa der Vaterländer, ein europäisches Commonwealth of Nations, eine großeuropäische Schweiz, in der sich die „Kantone“ oder Staaten ewigen Frieden schwören, wechselseitigen Beistand bei gemeinsamer Gefahr leisten - ob Kalter Krieg, Terrorismus oder was auch immer die Zukunft bringen mag. In der die Wirtschaftsgrenzen offen und innere Demokratie und Sozialstaatlichkeit Beitrittsvoraussetzung sind. Dieses Europa der „funktionellen Integration“, wie es in Deutschland Ludwig Erhard und Karl Schiller vorschwebte, könnten wir morgen haben, hätten wir nur - nicht bessere Bürger, sondern bessere Politiker.
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Prof. Dr. Wilhelm Hankel war bis 1968 Direktor der Kreditanstalt für Wiederaufbau, dann bis 1972 Ministerialdirigent unter SPD-Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller, schließlich Präsident der Hessischen Landesbank. Neben seiner Tätigkeit an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main lehrte er an den US-Universitäten Harvard, Georgetown, Johns Hopkins University und war Berater von Regierungen der Dritten Welt, Ostasiens und Rußlands. Er übersetzte „Economics“ („Volkswirtschaftslehre“) von Paul A. Samuelson und William D. Nordhaus, eines der weltweit wichtigsten Lehrbücher für Ökonomie, ins Deutsche und veröffentlichte selbst zahlreiche Fachtitel, zuletzt zusammen mit Wilhelm Nölling, Karl Schachtschneider und Joachim Starbatty den 2001 wiederaufgelegten Band „Die Euro-Klage. Warum die Währungsunion scheitern muß“ (Rowohlt, 1998). Geboren wurde er 1929 in Langfuhr bei Danzig.