These zur Gewalt im Islam
Geschrieben von Micha aus dem Süden am 28. April 2004 17:29:29:
Als Antwort auf: Re: Der islam wird immer gewalttätiger geschrieben von Napoleon am 28. April 2004 08:19:16:
Liebe Leut,
ich arbeite beruflich oft mit Jugendlichen und Erwachsenen aus verschiedenen Religionen mit dem Thema "Werte" und so weiter.
Dabei hat sich eine These entwickelt: die drei nahöstlichen Religionen haben potentiell viel Gewalt in ihren Gründungsbüchern und Gründungsmythen. Das alte Testament trieft nur so von Blut, ebenso der Koran. Das Neue Testament überwindet mit dem höchsten Prinzip der Nächstenliebe diese Gewalt schon mal theoretisch... in der Geschichte hat das Christentum bis in unsere Tage gebraucht, die in seinen Büchern und Mythen enthaltene Gewalt auch praktisch zu üeberwinden (nachdem sie sich heftigst ausgetobt hat). Auch das Judentum hätte riesiges Gewaltpotential im Alten Testament, konnte aber wegen der "Zerstreutheit" über die Welt nie große historische Macht entwickeln, um diese Gewalt auch auszuleben. Erst seit dem 20.Jahrhundert finden die Juden als histiorische Macht zusammen - als Staat Israel und als Wähler- und Wirtschaftsmacht in den USA. Sowohl aus jüdischer, als auch moslemischer Sicht ist der Nahostkonflikt ein Religionskrieg, denn beiden Seiten geht es um die Erfüllung von Aufträgen aus ihren heiligen Büchern. (Sonst hätte Arafat dem Clinton-Plan zustimmen können, sonst müssten die Israelis die Siedlungen nicht um jeden Preis halten). Dazu kommt noch ein fundementalistisches Christentum in den USA, das sich ebenfalls im Religionskrieg mit dem Islam wähnt (an der Seite der Juden) und das in Nahost als auch im "Krieg gegen den Terror" austobt.
Meine These: erst, wenn Religionen sich mit dem Gewaltpotential ihrer heligen Bücher und Mythen kritisch auseinandergesetzt haben und es überwinden, finden sie zu ihrem eigentlichen Auftrag und können Frieden, Zivilisation, Glück und Befreiung stiften. Solange sie das nicht überwinden, müssen sie Krieg führen gegeneinander.
Im Christentum hat die kritische Auseinandersetzung (etwa die Aufklärung, die Frauenbewegung, der Humanismus usw...)heilsam gewirkt! Im Judentum gibt es wohl einzelne kritische Distanzierungen, aber keine breite historische Bewegung dieser Art. Und beim Islam siehts da ganz schlimm aus: kritische Distanz zum Koran? Ist ja des Todes würdig.... Das lässt nichts Gutes ahnen für den Frieden der Religionen.
Obwohl ich begeisterte Anhänger des interrelgiösen Dialogs bin und tolle Juden, Moslems, Christen, Buddhisten, Bahai, Hindus... kennengelernt habe, bin ich skeptisch, ob der Islam gegenwärtig zum Frieden fähig ist, solange es keine innerislamische Auseinandersetzung mit dem Gewaltpotential dieser religion gibt ... und das Gleiche gilt für das Judentum.
An diesem Konflikt wird sich das Schicksal des 21. Jahrhunderts entscheiden, denn der Islam ist stark durch Öl und durch große Bevölkerungszahlen; das Judentum hat riesiges Zerstörungspotential im nahen Osten und durch den großen Einfluss auf die US-Politik. Für Moslems sind Juden, Christen und die Westler überhaupt alle Ungläubige; für uns Europäer sind die religiösen Fanatiker in Israel, Arabien oder den USA alle Spinner.
Tja... die Alternative zum Kampf der Kulturen (USA-Szenario) muss aus Europa kommen. Ich sehe einen möglichen Weg darin, den Islam (zumindest in Europa) zur Auseinandersetzung mit seinen Gewaltpotentialen und zur Distanzierung von der Blutrünstigkeit gewisser Koranpassagen zu zwingen - und das gleiche bei Juden und bei fundamentalistischen Christen. Von hier aus könnten (!) heilsame Impulse auf Arabien, Israel und die USA überspringen. Jedenfalls dann, wenn sie der letzte Strohhalm und der letzte Funke Hoffnung wären.
Vielleicht muss die Welt dazu auch erst mal abbrennen.
Grüße aus dem Süden,
Micha