Al-Qaida nennt Rangliste weiterer Anschlagsziele
Geschrieben von Hubert am 03. April 2004 15:31:55:
Als Antwort auf: fast völlig OT: Islam und Christentum ... geschrieben von StefanP am 03. April 2004 12:19:15:
Al-Qaida nennt Rangliste weiterer Anschlagsziele
Von Yassin Musharbash
(Quelle: spiegel.de)
Das neue Strategiepapier der Qaida - verfasst nach den blutigen Anschlägen von Madrid - enthält eine zynische Auflistung künftiger "menschlicher Ziele" des Terrornetzwerkes. Ganz oben auf der Rangliste der Anschlagsziele stehen Juden und US-Amerikaner. Aber auch "abtrünnige Muslime" wie Ägyptens Staatpräsident Mubarak.
Die Entwicklung hatte sich in den vergangenen Monaten bereits angedeutet, nun kann sie als gesichert gelten: In einem von deutschen und amerikanischen Experten als authentisch eingestuften neuen Strategiehandbuch, das heute auftauchte, zeigt sich das Terrornetzwerk al-Qaida als strategisch denkende und kühl kalkulierende Organisation: Ihrer neuen Doktrin zufolge geht es nicht mehr nur darum, so viele Menschen wie möglich zu töten. Auch ökonomische, politische und religiöse Aspekte spielen eine zentrale Rolle. Durch eine sorgfältige Auswahl der Opfer sollen künftige Anschläge noch effektiver werden.
Das rund 50-seitige Papier, das auf einschlägigen, der Qaida nahe stehenden Internetseiten kursiert, enthält darüber hinaus auch eine perverse Rangfolge der erwünschten Opfer. In einer englischen Übersetzung von Auszügen, die das ZDF heute erhielt und die SPIEGEL ONLINE vorliegt, werden unter der Überschrift "Menschliche Ziele, nach Grad der Wichtigkeit sortiert" die Juden als vorrangiges Ziel benannt. Unter den Juden wiederum, heißt es in dem Kapitel "Ziele innerhalb von Städten", seien amerikanische und israelische Juden als primäre Ziele anzusehen, gefolgt von "britischen, französischen und so weiter...".
"Heftige Reaktion von Muslimen muss verhindert werden"An zweiter Stelle folgen die Christen, an dritter stehen die Apostaten, also die nach Meinung der Qaida vom Glauben abgefallenen Muslime. Namentlich genannt wird zum Beispiel der ägyptische Staatspräsident Husni Mubarak. Auch muslimische "Säkularisten und Modernisten" werden zu Zielen erklärt. Besondere Priorität in allen Operationen, heißt es, gelte "jüdischen und christlichen Offiziellen in islamischen Ländern".
Das neue strategische Denken der Qaida offenbart sich auch in einer Passage, in der die Mudschahidin gemahnt werden, dass alle Operationen gegen Muslime "in einer Weise durchgeführt werden sollen, die eine heftige Reaktion von Muslimen verhindert". Offensichtlich fürchtet die Organisation um den Rückhalt in ihrem Umfeld nichtmilitanter, aber islamistischer Muslime. In früheren Qaida-Dokumenten wurde diesem Aspekt kaum Beachtung geschenkt. Jetzt heißt es: "Zu Beginn einer Dschihad-Operation ist es nicht angeraten, Gewalt gegen religiös-ideologische Ziele anzuwenden". Ausnahmen sind aber zum Beispiel christliche und jüdische Einrichtungen in islamische Staaten oder Priester und Rabbiner, die den "Islam und die Muslime angreifen".
Das Papier ist offensichtlich als strategischer Rahmen für den weltweiten Einsatz gedacht. "Wir müssen die Häuser der Gotteslästerer in die Hölle verwandeln", schreibt der angebliche Verfasser Abd al-Aziz al-Mukrin, der mutmaßliche neue Anführer der Qaida im arabischen Raum. An anderer Stelle steht, die Kämpfer sollten unter "Vernachlässigung aller geographischen Grenzen" die Länder der "Gotteslästerer in Kriegszonen" verwandeln.
Wirtschaftsexperten als ZieleAuch die ökonomischen Folgen der Anschläge sollen die planenden Zellen in ihre Überlegungen einfließen lassen, wird gefordert. Im Irak hätten die Angriffe auf Petroleum-Installationen bereits negative ökonomische Folgen für den Westen gehabt. Auch die "gesegneten Schläge von Madrid" hätten die gesamte europäische Wirtschaft getroffen. "Das war ein Doppelschlag gegen die Wirtschaft und die Regierungen der Kreuzfahrer, Juden und Gottlosen."
Explizit werden zudem internationale Firmen und Wirtschaftsexperten als geeignete Ziele bezeichnet.
Fortsetzung eines anderen TerrorpapiersNach Angaben des ZDF halten Experten das Dokument für die Fortsetzung eines Papiers, das im Dezember vergangenen Jahres im Internet aufgetaucht war, und bereits deutlich auf einen Strategiewechsel des Netzwerkes hingewiesen hatte. Dort hatten die Verfasser unter anderem auch Anschläge gegen Spanien empfohlen: "Wir glauben, dass die spanische Regierung nicht mehr als zwei, maximal drei Schläge aushalten kann, bis es wegen des großen Drucks aus der Bevölkerung zum Abzug aus dem Irak kommt."
Die Anschläge von Madrid im März, denen 191 Menschen zum Opfer fielen, könnten bereits Teil dieser neuen, von einem kalten Kosten-Nutzen-Denken geprägten Strategie gewesen sein. Dass es nach den Anschlägen in Spanien tatsächlich zu einem Regierungswechsel kam und die nun regierenden Sozialistische Partei den Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak erwägt, wird von den Terror-Drahtziehern womöglich als Bestätigung für die Effizienz ihrer neuen Strategie gewertet.
In dem Dokument wird in den Worten der Verfasser eine neue "militärische Dipolomatie, geschrieben mit Blut und dekoriert mit Körperteilen" entwickelt. "Das Ergebnis", heißt es sarkastisch, "ist klar: Der Feind wird niemals davon träumen, sich im Land Mohammeds niederzulassen."