Re: Technische Gegebenheiten bei Lenkwaffen

[ Prophezeiungen & Aktuelles Weltgeschehen ]

Geschrieben von zSz am 24. November 2001 16:10:12:

Als Antwort auf: Re: Technische Fragen ...GPS-Genauigkeit geschrieben von Space_Man am 24. November 2001 02:40:17:

Um die gewünschte Präzision im Ziel zu erreichen, muss die Bombe oder Rakete nach dem Abwurf respektive Abschuss in ihrer Flugbahn beeinflusst werden können.
Man unterscheidet 5 verschiedene Lenkprinzipien:

1. TV-Lenkung
2. IIR-Lenkung
3. Laser-Lenkung
4. Passive Radar-Lenkung
5. GPS-Lenkung
3.2. TV-Lenkung

Beispiel: AGM-65B MAVERICK

Prinzip: Eine TV-Kamera im Kopf der Lenkwaffe sendet ein TV-Bild ins Cockpit des Trägerflugzeuges.
Der Pilot «sieht» durch das Auge der Lenkwaffe. Eine Vergrösserung des Bildes ist möglich.
Der Pilot steuert die Lenkwaffe in die Zielregion; er erfasst das Ziel und weist der Lenkwaffe den genauen Impakt-Punkt zu.
In der Endphase wird die Lenkwaffe mittels Hell / Dunkel-Kontrast präzise, ohne Einwirkung des Piloten, ins Ziel gesteuert.
CEP: 2 bis 5 m
Reichweite: 2 bis 15 km
Umwelt: Transparente Atmosphäre im Zielgebiet ist Bedingung.

Imaging Infrared (IIR)-Lenkung
Beispiel: AGM-130A
Prinzip: Eine Infrarotkamera im Kopf der Lenkwaffe sendet ein IIR-Bild ins Cockpit des Trägerflugzeuges.
Der Pilot «sieht» durch das Auge der Lenkwaffe. Eine Vergrösserung des Bildes ist möglich.
Die Lenkwaffe fliegt anhand gespeicherter Navigationsdaten oder mittels Datalink kontinuierlich aufdatierten Daten, ins Zielgebiet. In Zielnähe erfasst der Pilot das Ziel und weist der Lenkwaffe den genauen Impaktpunkt zu.
In der Endphase wird die Lenkwaffe (analog der TV-Waffe) mittels Ausnützung vorhandener Kontraste präzise ins Ziel gesteuert.
CEP: 2 bis 5 m
Reichweite: 50 bis 75 km
Umwelt: Transparente Atmosphäre (ab zirka 20 km vor dem Ziel bis zum Ziel) ist Bedingung.

Laser-Lenkung
Beispiel: AGM-114A, Hellfire

Prinzip: Ein Laser-Strahl wird auf das Ziel gerichtet. Dieser «Laser-Pointer» kann ab dem Trägerflugzeug / Helikopter, einem mitfliegenden anderen Flugzeug / Helikopter oder von einem am Boden stationierten Spezialisten eingesetzt werden. Die Waffe (Bombe oder Rakete) folgt der vom Ziel reflektierten Laser-Energie und trifft somit an der vom Laser-Strahl «beleuchteten» Stelle am Boden auf.
CEP: 1 bis 3 m
Reichweite: 2 bis 8 km
Umwelt: Zwischen Flugzeug / Helikopter und Ziel muss transparente Atmosphäre herrschen. Die Tageszeit (Tag / Nacht) ist dabei nicht von Belang.

Passive Radar-Lenkung

Beispiel: AGM-88C, HARM (High Speed Anti Radiation Missile)
Prinzip: Die Lenkwaffe erfasst gesendete Impulse von Radars am Boden. Die Waffe «reitet» sozusagen auf dem Radarstrahl zur Radarantenne und zerstört diese.
CEP: 1 bis 3 m
Reichweite: 20 bis 60 km
Umwelt: Völlig unabhängig von den atmosphärischen Verhältnissen im Zielgebiet (allwettertauglich) und von der Tageszeit.

3.6. GPS-Lenkung

Beispiel: JDAM (Joint Direct Attack Munition).
Prinzip: Das Global Positioning System (GPS) ermöglicht der JDAM, mittels Angaben der GPS-Satelliten, jederzeit seine eigene Position zu kennen. Vor oder während des Fluges eingegebene Zielkoordinaten können präzise getroffen werden. Voraussetzung ist der Abwurf innerhalb der physikalisch genau definierbaren Abwurf-Enveloppe.
CEP: 13 m
Reichweite: 15 bis 25 km
Umwelt: Völlig unabhängig von den atmosphärischen Verhältnissen im Zielgebiet (allwettertauglich) und von der Tageszeit.
Besonderes: Der JDAM-Kit kann auf verschiedene, in grosser Zahl vorhandene konventionelle Bomben (zum Beispiel: Mk-83; Mk-84; BLU-109), montiert werden. Die Kosten dieses Kits sind bemerkenswert niedrig: $ 40 000.

4. Zuverlässigkeit

Seit 30 Jahren werden Präzisionswaffen eingesetzt. In dieser Zeit ist die Zuverlässigkeit wesentlich verbessert worden. Diese wird aber nie 100% erreicht. Diverse Ursachen werden für Fehlschüsse oder Fehlwürfe genannt. Die wichtigsten sind:

Falsche Zielkoordinate. Der Pilot trifft gemäss Vorbereitung. Das zur Zerstörung vorgesehene Ziel ist jedoch woanders (Beispiel: Chinesische Botschaft in Belgrad).

Fehlverhalten des Piloten. Der Pilot ist eine nicht völlig auszuschliessende Fehlerquelle. Er ist unter enormem Zeitdruck, und sein Leben ist bedroht. Fehlmanipulationen, falsche Zielerfassung oder der Einsatz der Waffe ausserhalb der zulässigen Enveloppe sind mögliche Pilotenfehler.

Technische Störung. Diese kann am Flugzeug oder an der Waffe jederzeit auftreten. Es wird nie möglich sein, eine relativ kleine Waffe mit derart redundanten Systemen zu versehen, dass ein technisches Versagen völlig ausgeschlossen werden kann.

Veränderung der Umwelt während des Fluges der Waffe.

– Bei TV- und IIR-gelenkten Waffen kann sich die transparente Atmosphäre während des Fluges der Waffe verändern. Dies kann zur Folge haben, dass die Waffe das Ziel «verliert». Sie steuert unpräzis Richtung Boden und kann deutlich neben dem gewollten Ziel detonieren.

– Laser-Signale können zu schwach sein. Resultat: die Waffe «verirrt» sich. Sie trifft ungelenkt irgendwo in Zielnähe auf den Boden. Die Beleuchtung, das «lasing», kann ebenfalls fehlerhaft sein (falsches Ziel usw.)

– Anti-Radar-Lenkwaffen: Wenn das angegriffene Radar seinen Sender abschaltet, fliegt die Anti-Radar-Lenkwaffe anhand eines «Memory» Richtung vermutetem Standort des Radars weiter. Je grösser die Distanz dieser «Memory-Phase» ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas anderes als das angepeilte Radar getroffen wird.

– GPS-Lenkung: Das GPS-Signal kann gestört werden. Die Empfänger der GPS-Satelliten-Signale können technische Defekte aufweisen. Resultat in beiden Fällen: Grosse Ablenkung der Bombe kann nicht verhindert werden.
CEP, Circular Error Probable: 50% der abgeschossenen Waffen (Bomben oder Raketen) treffen innerhalb des angegebenen Radius (in Metern).


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