noch mehr aua (o.T.)
Geschrieben von KyroxX am 02. März 2004 17:17:28:
Als Antwort auf: Achsenbruch zwischen Brüssel und Moskau geschrieben von Kiaril am 01. März 2004 19:42:20:
>Achsenbruch zwischen Brüssel und Moskau
>Pünktlich zur EU-Osterweiterung verschlechtern sich die Beziehungen zu Russland dramatisch
>von Jens Althoff und
>Miriam Hollstein Mitarbeit:
>Katja Ridderbusch
>Zwischen Putin und den Europäern wird es kälterFoto: AP
>Berlin - Die Zusammenkunft war harmonisch: In der Moskauer Diplomatenschule MGIMO trafen sich Mitte September vergangenen Jahres Topdiplomaten aus den Außenministerien Deutschlands, Frankreichs und Russlands. Unter dem Stichwort "EU und Russland in der neuen Weltordnung" diskutierte man den segensreichen Einfluss der Achse Paris-Berlin-Moskau. "Die Atmosphäre war gut, es war noch alles in Ordnung", berichtet ein Teilnehmer. Anschließend wurde bei Kaviar, Champagner und Crevetten in der französischen Botschaft auf das gute Verhältnis angestoßen.
>Erst fünf Monate ist das Treffen her, aber schon Geschichte. Kurz vor der Erweiterung der EU am 1. Mai bis an die russische Grenze hat sich die Beziehung der Europäischen Union zum neuen Nachbarn dramatisch verschlechtert.
>In scharfen Worten forderten die EU-Außenminister vergangene Woche Russland auf, die Vereinbarungen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens von 1997 ohne Vorbedingungen auf die neuen Mitglieder auszuweiten. Moskau hatte in einem 14-Punkte-Papier Anfang Januar von der EU Kompensationen für Handelsnachteile im Zuge der Erweiterung verlangt. Immerhin büße man rund 300 Millionen Euro ein, rechnete die russische Seite vor. Als Gegenleistung verlangte Moskau unter anderem die Aufhebung der Visumspflicht und einen besseren Status der russischen Minderheiten im Baltikum.
>Nur vier Tage später verabschiedete das Europäische Parlament ein Strategiepapier, das mit der bisherigen Russlandpolitik der EU hart ins Gericht geht. Der Tschetschenien-Konflikt und die "dort verübten massiven Menschenrechtsverletzungen" seien "ein unüberwindliches Hindernis für die Verbesserung einer echten Partnerschaft zwischen der EU und Russland", heißt es. Scharf kritisiert werden auch die "unfairen" Parlamentswahlen im Dezember und das Vorgehen gegen den Ölmilliardär Michail Chodorkowskij. Die EU tue dabei "viel weniger als sie es tun könnte", so das Fazit des Parlaments.
>Wie aufgeheizt die Stimmung zwischen Brüssel und Moskau ist, zeigte auch ein hochkarätig besetztes EU-Russland-Forum der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am vergangenen Montag in Berlin.
>Die russischen Teilnehmer, darunter der für die EU zuständige Vize-Außenminister, Wladimir Tschischow, empörten sich über die "radikale" Haltung der EU. Wenn die Forderungen Russlands nicht erfüllt würden, könne dies "Probleme bedeuten", kündigte Tschischow gegenüber WELT am SONNTAG an. Noch deutlicher wurde Putin-Berater Sergej Karaganow: "Wenn die EU mit möglichen Partnern so umgeht, könnte es passieren, dass sich Russland anderweitig nach Verbündeten umschaut."
>"Die Russen hatten von Anfang an eine sehr aggressive Tonart", urteilt ein Teilnehmer der Konferenz. Die Diskussionen hätten gezeigt, dass man "Tacheles reden" müsse: "Der Schmusekurs mit Russland war nicht gut."
>Insbesondere im Kanzleramt wird man dies nicht besonders gern hören. Noch Anfang Januar verteidigte Bundeskanzler Gerhard Schröder im Auswärtigen Ausschuss die bis dato positive Haltung Berlins gegenüber dem russischen Präsidenten. Er zeigte sich zuversichtlich, dass Putin eine demokratische Entwicklung Russlands befördern werde. Immerhin hatten Berlin und Paris im Irak-Konflikt noch vor einigen Monaten heftig um Moskau gebuhlt.
>Jetzt speist Schröder lieber wieder im Weißen Haus. In Europa heißt der neue Liebling von Schröder und Chirac Tony Blair, und der letzte Garant eines EU-Kuschelkurses mit Moskau, Italiens Premier Silvio Berlusconi, ist seit Januar nicht mehr Ratspräsident der EU.
>"Da kommt jetzt alles zusammen: So wie die erweiterte EU ihre Identität sucht, sucht auch Russland noch seine Rolle in Europa und der Welt", sagt Ottokar Hahn, Ex-EU-Botschafter in Moskau. Entscheidend sei, dass "sich die EU-25 über ihre Interessen klar wird, die man gegenüber Russland vertreten soll". In die gleiche Kerbe schlägt Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments: Eine EU-Politik gegenüber Russland sei nur wirksam, "wenn die Europäer wirklich gemeinsam handeln".
>Keine Notwendigkeit für eine neue Russlandstrategie sieht indes der Chefdiplomat der Europäischen Union, Javier Solana. "Wir brauchen nicht jedes Jahr ein neues Format", sagte Solana dieser Zeitung und gibt sich zuversichtlich: "Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, werden wir Lösungen finden, mit denen beide Seiten glücklich sind." In Kernfragen könnten sich beide Seiten entgegenkommen: die europäische Seite beim "russischen Wunsch nach Visa-Erleichterungen bei Reisen in die EU", die russische Seite "beim Wunsch der EU nach einem Rückführungsabkommen mit Russland", mit dem illegal eingereiste Russlandflüchtlinge wieder in ihre Heimat abgeschoben werden können.
>Russlands Ziel, Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) zu werden, sieht Solana dabei offenbar als Trumpfkarte. Denn für den Beitritt braucht Moskau die Unterstützung aus Brüssel. "Bevor Russland der WTO beitreten kann, müssen wir eine Einigung über ein paar heikle Fragen erzielen", sagte Solana. Es komme jetzt darauf an, das "enorme Potenzial der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland" zur vollen Wirkung zu bringen.
>Wie dieses Potenzial genutzt werden kann, hängt auch davon ab, wen Putin zum Nachfolger des geschassten Premierministers Michail Kasjanow macht. Oder ob Putin seinen sicheren Sieg bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen zu einem weiteren Ausbau des autoritären Machtapparats nutzen wird.
>Sicher ist, dass weder die EU noch Russland das Handelsvolumen von 78 Milliarden Euro gefährden wollen. Aber beim "Herzstück" der gemeinsamen Beziehungen, der nach dem Umbruch in Osteuropa euphorisch beschworenen gemeinsamen Werte der Demokratie und Menschenrechte, hat es sich vorläufig ausgeschmust.