Re: Zu Ihrem Gegenbeispiel
Geschrieben von JeFra am 27. Februar 2004 12:43:26:
Als Antwort auf: Zu Ihrem Gegenbeispiel geschrieben von DaveRave am 26. Februar 2004 22:30:25:
Ist dies für Sie Entkräftung genug?
Nein. Einmal kommen Sie nicht an der Tatsache vorbei, daß Frau Hamm-Brücher promovieren konnte, als Deutschland weitgehend in Schutt und Asche lag. So etwas hätte man wahrscheinlich kaum zulassen, wenn den betreffenden Personenkreis nach dem Krieg zu töten oder deportieren beabsichtigt hätte. Ich habe, wenn ich mich richtig erinnere, ein oder zwei Bücher über Hildegard Hamm-Brücher angelesen, aber keines davon gekauft. In der Regel wird dann bei der Beschreibung dieses Lebensabschnittes gesagt, das Institut von Prof. Wieland (der Knollenblätterpilz-Wieland?) sei eine Art ökologische Nische gewesen, in der Nicht-Arier promovieren konnten. Nur, für meine Mutter in der DDR hat es keine ökologische Nische gegeben, in der sie mit ihrem Hintergrund (Kleinbürger, der Vater ein Nazi) auch nur ihr Abitur machen konnte. Wir vergleichen hier übrigens die frühe DDR in Friedenszeiten mit dem dritten Reich kurz dem Zusammenbruch im 2. Weltkrieg! Ich glaube (auch abgesehen von direkten Kriegsfolgen) nicht, daß die Familie meiner Mutter überlebt hätte, wäre die DDR in den fünfziger Jahren in einen totalen Krieg verwickelt worden. Und über die Frage, wieviele dieser ökologischen Nischen es denn gegeben hat, läßt man sich, soweit ich sehe, nicht aus.
Sicher reden wir hier zum Teil über Spitzfindigkeiten. Johannes hat erst über Deutsche mit weit entfernten mosaischen Ahnen geschrieben und über `Schwierigkeiten' allgemein. Das erstere ist vom Tisch, wir reden also nur noch über Deutsche mit einem mosaischen Eltern- oder Großelternteil, aber nicht rein mosaischer Abstammung. Die `Schwierigkeiten' würde ich gerne durch `Einschränkungen' ersetzen, weil das bei mir keine Assoziationen mit Inhaftierung und KZ hinterläßt. Meiner Ansicht konnten diese Personen, abgesehen von den allgemeinen kriegsbedingten Einschränkungen, ein normales Leben führen und eine höhere Karriere beginnen, letzteres aber nicht in allen Berufen.
Es mag stimmen, daß die Brüder (abgesehen, wenn ich mich richtig erinnere, von einem abgetauchten Bruder) in Arbeitslagern waren. Es handelt sich aber, so wie Sie es formulieren, anscheinend nicht um Konzentrationslager, sondern um relativ schwach bewachte Arbeitslager mit weitaus besseren Lebensumständen. Ich glaube, eine der Biographien von I. Bubis enthält eine Schilderung davon, was gegebenfalls nachzuschlagen wäre. Derartigen Einschränkungen waren bekanntlich alle Deutschen im dritten Reich ausgesetzt, man denke nur an die Zwangsverpflichtung zum RAD. Die genauen Umstände dieses Falles sind mir nicht bekannt, aber ich könnte mir vorstellen, daß die meisten männlichen Deutschen im wehrfähigen Alter, die aus irgendeinem Grund nicht zur Wehrmacht gezogen wurden, auf irgendeine andere Weise zwangsverpflichtet waren. Natürlich kann man nicht sicher sagen, wie die Umstände im konkreten Fall der Brüder von Hildegard Hamm-Brücher waren. Einige mir bekannte Schilderungen von den sogenannten Arbeitslagern (im Unterschied zum KZ) sind jedenfalls so, daß es eventuell besser gewesen sein könnte, den Krieg in einem derartigen Lager zuzubringen als in der Wehrmacht.
Ein anderes Beispiel dafür, daß man durchaus auch mit mosaischen Großeltern mütterlicherseits Karriere im 3. Reich machen konnte, ist Albrecht Haushofer. Ich glaube kaum, daß man das allein auf den Einfluß des Vaters zurückführen kann, denn der Einfluß Karl Haushofers im 3. Reich wird anscheinend oft überschätzt. Die Ermordung Albrecht Haushofers steht bekanntlich im Zusammenhang mit dem 20. Juli und nicht mit rassistischer Politik. Der halbjüdischen Mutter Albrecht Haushofers ist meines Wissens im 3. Reich nie etwas passiert, auch nachdem Karl Haushofer in Ungnade gefallen war. Auch von der Partei- und Staatsführung sollen ja einige Mitglieder mosaische Wurzeln haben, angeblich sogar Hitler, Heydrich und Rosenberg. Da das Thema in hohem Maße tabuisiert zu sein scheint, ist mir nicht klar, woher man zuverlässige Informationen dazu bekommen kann. Unbestritten ist anscheinend die jüdische Herkunft der Frau von Karl Haushofer sowie von Ernst `Putzi' Hanfstaengl. Im Fall Rosenberg ist es auf Grund des Namens nicht unwahrscheinlich, daß die Behauptungen stimmen. Derartige Beispiele gibt es auch in neuerer Zeit, der Jugendführer der Schwedischen Nationaldemokraterna, Marc Abramsson, könnte beispielsweise dem Namen nach einen mosaischen Vorfahren haben.
Sicherlich ist das Schicksal der Großmutter Hildegard Hamm-Brüchers tragisch, aber Theresienstadt war sicher kein Vernichtungslager. Übrigens handelt es sich hier nicht um ein Gegenbeispiel zu meiner Behauptung über das vermutlich relativ unbehelligte Leben von Halbjuden im 3. Reich, denn die Großmutter war der Abstammung und wahrscheinlich auch dem Glaubensbekenntnis nach rein jüdisch.
Gruß
JeFra