"100 Sonnen"

Geschrieben von H.Joerg H. am 26. Februar 2004 01:05:49:

Als Antwort auf: NACHRICHTEN-Do.26.02.04. geschrieben von H.Joerg H. am 26. Februar 2004 00:36:19:

Tag zusammen

Unter dem Titel "100 Sonnen" liegt nun ein Bildband der von den USA durchgeführten überirdischen Atombombentests vor. Der Künstler Michael Light hat von diesen 216 Tests 100 Bilder ausgewählt, und zu einer Gesamtkomposition zusammengefügt.

Die Fotos sind schön - wie ein Sonnenuntergang in Hawaii, ein Wirbelsturm, ein Lavastrom. Sie zeigen die Spannung von Natur und Kunst, die Urkraft, von Menschen gesteuert. Die Bilder tragen die Codenamen der Tests, schöne Namen wie "Sunset", "Romeo", "Magnolia", "Orange" oder schlicht "Mike", "John" und "George".
"Diabolo" fällt aus dem Rahmen.

Es gibt mit einer Höchstgeschwindigkeitskamera aufgenommene Bilder, die einen Feuerball eine Zehntausendstel Sekunde nach der Explosion zeigen; ein Stück Information, das den Laien das Ausmaß der freigesetzten Energie ahnen lässt.

Die sparsam eingestreuten Bilder von Soldaten mit Stahlhelmen zwingen den Betrachter, an den Zweck der Übung zu denken, an den Irrsinn des Wettrüstens, an die Eigendynamik technischen Fortschritts, daran, dass amerikanische Regierungen ihre eigene Bevölkerung jahrzehntelang über die Gefahren und Folgen der Tests belogen und daran, dass die USA auch heute über mehr als 10.000 Atomwaffen verfügen.

Die kleinen Menschlein, die ob der von Menschenhand entfesselten Gewalt der Atomspaltung Maulaffen feilhalten, und andere, die sich von einer der hundert Sonnen abwenden und die Augen zum Schutz bedecken, stellen einen Kontrapunkt zu den spektakulären Aufnahmen der Explosionen dar. Trotzdem überwiegt der Eindruck des Grandiosen.

Titanisch ist das Szenario unseres Untergangs, nicht jämmerlich. Wer das für einen Trost hält, betrachtet die Ausstellung mit einer leicht perversen Befriedigung. Wer aber an der Enttabuisierung von Atomwaffen denkt, die gegenwärtig durch die Entwicklung taktischer "mini-nukes" in Amerika vollzogen wird, muss sich fragen, ob die Ausstellung nicht zur Ästhetisierung des größten Vernichtungswerkzeugs beiträgt, das Menschen je geschaffen haben.

Knesebeck-Verlag "100 Sonnen", Bildband von Michael Light, 208 Seiten, 39,90 Euro

(Text teilweise aus der "Süddeutschen" von gestern entnommen-Autor Florian Coulmas)

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Für Interessenten des Bildbandes: Sonnenbrille beim Betrachten der schnuckeligen Bilder nicht vergessen aufzusetzen-sonst blind...nehme ich mal an, selbst sind mir knapp 40 Euronen zu happig für ein paar "Pilze" in einem Buch.

Gruß

Jörg



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