Plünderungen und Aufstände in der Slowakei

Geschrieben von Micha aus dem Süden am 24. Februar 2004 16:37:40:

Als Antwort auf: NACHRICHTEN (Dienstag, 24.02.2004) (owT) geschrieben von Johannes am 24. Februar 2004 00:59:11:

Tagesschau:

Slowakei: Roma wehren sich gegen Sozialabbau

Die seit vergangener Woche anhaltenden Proteste und Plünderungen der Roma-Minderheit in der Slowakei weiten sich aus. Die Polizei ging bei einer Großrazzia gegen Roma in der ostslowakischen Bezirksstadt Trebisov vor. Rund 250 Polizisten waren im Einsatz. 15 Menschen wurden nach offiziellen Angaben festgenommen. Für morgen riefen Anführer der Roma zu landesweiten Demonstrationen auf.

Polizisten verfolgen die Menschen durch die Roma-Siedlung Trebisow

Flucht vor der Sondereinsatztruppe der Polizei.

Hintergrund des Protestes sind Sparmaßnahmen im Sozialsystem: Die Regierung wird im Rahmen der Steuerreform ab 1. März die Sozialhilfe um bis zu 50 Prozent kürzen. Sie will damit nach eigenem Bekunden Langzeitarbeitslose dazu bewegen, sich Arbeit zu suchen. Die Sozialhilfe für Kinder entfällt. Klara Orgovanova, die Staatsbeauftragte für die slowakischen Roma-Gemeinden, kritisierte, dass keine mildernden Übergangsmaßnahmen beschlossen wurden.

In der vergangenen Tagen hatten mehrere Roma-Gruppen Supermärkte geplündert. Am Montagabend waren in Trebisov zwei Polizisten verletzt sowie mehrere Polizeiautos und Häuser beschädigt worden. Aufgebrachte Roma hatten Steine und Flaschen auf die Polizisten geworfen, nachdem diese einen Protestzug von mehreren hundert Roma aus dem Stadtzentrum abgedrängt hatten, um Übergriffe auf Geschäfte zu verhindern. Über Verletzte auf Seiten der Roma gab es keine offiziellen Angaben.

"Unverständliche Sozialpolitik"
Staatspräsident Rudolf Schuster sprach von der Gefahr sich ausweitender "sozialer Unruhen", die die Regierung durch ihre "unverständliche Sozialpolitik" verursache und deren Folgen sie unterschätze. Die Plünderungen seien ein extremer Ausdruck der "zunehmenden Verarmung von großen Teilen der Bevölkerung, die nicht nur die Roma, sondern alle Familien mit Kindern sowie Arbeitslose und Rentner" betreffe.

Die Ärmsten der Roma leben in Siedlungen mit einer Arbeitslosenrate zwischen 90 und 100 Prozent und haben kaum Aussicht, eine Anstellung zu finden. Viele bekommen schon seit Jahren Sozialhilfe. Das Arbeitsministerium erklärte, es werde Maßnahmen ergreifen, um die Erfolgsaussichten für die Roma bei der Suche nach einem Arbeitsplatz zu verbessern. Die annähernd 400.000 Roma machen etwa neun Prozent der slowakischen Bevölkerung aus.

Vertreter der Roma warnten vor einem neuen Exodus in andere Länder unmittelbar nach dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union im Mai. Die EU ist offenbar ihrerseits über die Auswirkungen der slowakischen Sozialreformen auf die Roma-Minderheit beunruhigt. Die slowakische Tageszeitung "SME" zitiert den außenpolitische Ausschuss des Europäischen Parlaments, die slowakische Regierung habe "darauf zu achten, dass die Last der Reformen nicht auf den verletzlichsten Teil der Bevölkerung abgewälzt" werde.

Eigene Roma-Abteilung bei Polizei geplant
Zusätzliche Unruhe bringt der Plan des Innenministeriums in Bratislava, eine eigene Roma-Abteilung der Polizei zu bilden - eine umstrittene Maßnahme. Die einen glauben darin eine Maßnahme zu erkennen, die an die rassistische Verfolgung der Nationalsozialisten erinnert.

Andere - auch Roma-Vertreter - halten es für einen Erfolg versprechenden Versuch, die Lage in den Griff zu bekommen. Denn in der Abteilung sollen besonders viele Roma als Polizisten dienen. Nur so lasse sich vermeiden, dass jeder kleine Polizeieinsatz bereits zu einer Konfrontation mit rassistischer Aufladung eskaliere.




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