Von Herzen Dank... und ein paar Anmerkungen
Geschrieben von Micha aus dem Süden am 01. Juni 2006 14:30:31:
Als Antwort auf: Re: Artikel über mongolische von 1890... Danke, Taurec! (o.T.) geschrieben von BBouvier am 01. Juni 2006 13:16:21:
Taurec und BB, vielen Dank für die Mühe und die prompte Aufklärung!
Witzig am Rande - der (Ur?-)Enkel von Ungern Sternberg ist jetzt Regierungspräsident in Freiburg. Ob er über die buddhistischen Verwicklungen seines (Ur?-)Opas im Bilde ist?
Zur Sache selbst- die Bezugnahme auf "Gott", "Gottlosigkeit" usw. können unmöglich von mongolischen Lamas selbst stammen, denn im Buddhismus verwendet man sehr viel Sorgfalt darauf, "Gottesvorstellungen" als "Arbeitshypothesen" zu dekonstruieren, und zu zeigen, dass man mit Vorstellungen von einem Gott den Geist nur unnötig einschränkt. Buddhismus ist tatsächlich eine Religion völlig ohne "Gott" und "Götter". (Auch die im Westen so genannten "Gottheiten" im tibetischen Buddhismus sind alles andere als das - es sind Symbole für erleuchtete Qualitäten des Geistes, z.B. Mitgefühl, Weisheit, Reinheit...). Insofern liegt also ein Übersetzungs- oder Verständnisfehler vor. Was weiter nicht verwundert, denn in die Details des Buddhismus einzusteigen war damals kein leichtes Unterfangen, vor allem in Mongolisch.
Im Kalachakra-Tantra wird tatsächlich ein zivilisatorischer Niedergang (für Asien) geschildert, und zu dessen Höhepunkt ein Entscheidungskrieg gegen die "Barbaren". Unter diesem Stichwort verstehen die Tibeter übrigens vor allem die Anhänger des Islam. Schließlich hatten die Moslems in zwei blutigen Eroberungszügen die hochentwickelten buddhistischen Kulturen in Afghanistan, Kaschmir und Nordindien brutal ausgelöscht. Moderne Lamas verstehen die Kalachakra-Prohezeiung so, dass es zu einem Entscheidungskrieg zwischen "freier Welt" und "Islam" über die globale Vorherrschaft kommt, und dass die Buddhisten mitkämpfen für eine freie Welt. Danach ist dann erst mal eine Zeit Ruhe, Frieden und Glück.... Gerade die Moslems spielen in den europäischen Prophezeiungen aber keine große Rolle, was mich irritiert: wenn die Prophezeiungen unsere Zeit meinen, und es beginnt der Bär zu tanzen, spielen sie lokal wie global eine wichtige Rolle: Öl, Teroor, islamische Atombomben... und bei uns in den Städten stellen sie den allergrößetn Teil des gewaltbereiten Proletariats. Unwahrscheinlich, dass große Weltkrisen/-kriege nicht von den Moslems religiös aufgeladen und zum Terrormachen ausgenutzt werden, lokal wie global.
Die "Roten Männer" aus der Prophezeiung des Padhmasambhava (Guru Ringpoche) - der mit den eisernen Vögeln - sind nicht die Hopi, sondern die Europäer. Aus tibetischer Sicht sind wir nicht "Bleichgesichter" und "Weiße", sondern "Rotgesichter". Tatsächlich kam es aber in den späten 70ern zu einer historischen Begegnung des 16.Karmapa (Oberhaupt der tibetischen Karma Kagyü Schule und Nachfolger des 2.Karmapa, der den Mongolen unter Kublai Khan Schrift, Maße, Gewichte und ein Geldsystem beibrachte) mit Hopi- und anderen Indianern. Man hat Höflichkeiten und Geschenke getauscht, sich aber ansonsten wenig zu sagen gehabt - die Geisteswelten zwischen tibetischem Buddhismus und Hopi-Mythologie sind dann doch zu weit auseinander, auch wenn die Folklore auf den ersten Blick Ähnlichkeiten aufweist. Gerade die buddhistische Tradition Tibets beruft sich nicht auf mythologische Wurzeln - das gilt schon eher für den Bön, die tibetische Schmananentradition. Die wurde aber gerade von Padhmasambhava sehr kritisch gesehen.
Das mit Sonne und Mond auf Hopi/Tibetisch würde ich gerne mal überprüfen. Wer kann Hopi?
Tatsächlich wird die tibetische Kultur im Westen sehr idealisiert, ebenso wie die indianische. Um ehrlich zu sein - ob die tibetische Identität in den Flüchtlingslagern Indiens und unter der chniesischen Besatzung in Tibet überhaupt überleben kann, ist sehr fraglich. Ebenso wie die indianische Identität nach einem Aufblühen in den 70ern heute in den Reservate-Slums und Alkohol dahindämmert... (und auch die Kultur der australischen Ureinwohner gerade völlig vor die Hunde geht).
... zurück zu den Prophezeiungen: die genannten Zahlen im Text lassen sich zwar schlüssig so zuordnen, aber nicht unbedingt zwingend. Nun bin ich kein Prohpezeiungsexperte und kann nix über die möglichst wissenschaftliche Deutung solcher besonderen Texte sagen. Wahrscheinlich ging zwischen 1890 und 1924 auch das eine oder andere sehr wichtige Detail verloren - für Ossendowski muss das eh alles sehr hohl geklungen haben, konnte er doch mit dem "Material" nichts Wirkliches anfangen. Aus heutiger Sicht hätte man damals dann hier und da genauer nachgefragt ;-) Zu den inhaltlichen Zuordnungen - da ist viel Interpretationsspielraum (das mit dem Ansehensverlust könnte auch gut auf die Deutschen passen, statt auf die Engländer; das mit den Plätzen voller Menschen auch auf weltweite Demonstrationen z.B. 1968 von San Franzisko über München bis zum Prager Frühling).
Tatsache ist, dass es bei den Tibetern üblich war (und teilweise noch ist), Prophezeiungen und Orakel zu befragen, und die zwar nicht mit mathematischer Genauigkeit, aber doch einer inhaltlichen Qualität funktioniert haben. Tatsache ist auch, dass die Interpretation dieser Quellen immer wieder Anlass zu heißen Diskussionen sind, wie bei uns auch ;-)
Tatsache ist, dass wir gerade in sehr interessanten Zeiten leben.
Nochmal von Herzen Dank ...
Micha
Antworten:
- Re: Von Herzen Dank... und ein paar Anmerkungen BBouvier 01.06.2006 20:16 (0)