Re: Jetzt also: Hier mein Beitrag
Geschrieben von Der Mensch ist ein Seil, gespannt zwischen Tier und... Hinterbänkler am 10. Mai 2006 00:36:51:
Als Antwort auf: Re: Jetzt also: Hier mein Beitrag geschrieben von detlef am 09. Mai 2006 21:25:04:
>... der hoffen lässt zu einem 'höheren' Bewusstsein zu gelangen. In Ermangelung eines besseren Wortes möchte ich wirklich den Schwerpunkt auf 'Bewusstsein'/'höheres Bewusstsein' legen.
>warum wird bloss immer wieder vorausgesetzt, dass es ein ziel gibt? und falls es eines gibt, warum muss das immer mit "hoeherem bewusstsein" zu tun haben?
>warum sollten wir nicht annehmen koennen, dass uns ein allmaechtiger genau so erschaffen haben koennte, wie er uns haben wollte?
>wenn wir annehmen wollen, dass es ein hoechstes/einen hoechsten gibt, warum muessen wir dann immer zwanghaft davon ausgehen, dass dessen schoepfung (speziell wir) verbesserungsbeduerftig sein muss?
>der gedanke eines weges, einer pruefung zu einem hoeheren bewusstsein will mir wie eine art minderwertigkeitsgefuehl scheinen.
>da scheint mir diese einstellung richtiger:
>Eine Herausforderung ist eine Herausforderung. Sie ist nichts Persönliches. Man kann sie nicht als Fluch oder Segen betrachten.
>also vereinfacht/anders ausgedrueckt: wir leben. - nicht: wir leben um ...
>gruss,detlef
>(weg vom faustisch/darwinistisch/west-christlich gepraegten drang nach "oben"...)Lieber Detlef
Danke für Deine Gedanken...
"Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch, - ein Seil über einem Abgrunde.
Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben.
Was groß ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist."Dies ist ein Zitat aus Nietzsches Zarathustra. Für mich ist das ein ganz tolles Bild. Es sagt, daß wir irgendwo dazwischen hängen und nur ein Ende uns bekannt ist, das andere wird mit einem neuen Begriff definiert. Leider hat der Begriff 'Übermensch' im letzten Jahrhundert sehr gelitten. Noch heute verstehen ihn alle Leute falsch, also nicht so, wie ihn Nietzsche geprägt haben wollte. Für mich bedeutet der Begriff 'Übermensch' ganz einfach der kommende Mensch. Die nächste Evolutionsstufe. Es muss gar nich ein höherer Mensch sein, sondern eifach ein Weitergegangener.
Wir Menschen müssen offensichtlich gehen. Wir müssen offensichtlich Schaffen. Wir wollen was wollen tun, was erreichen. Wir sind so verrückt und haben Ziele. Ohne sind wir keine Menschen. Ist halt so.
Höheres Bewußtsein ist ein Bewußtsein, wo wir uns unseres Gesamtzustands bewußt sind. Im Gegensatz zu dem von mir beschriebenen Zwischenzustand, wo wir meinen unbedingt 'durchkommen' zu müssen. Ich schrieb - analog zu Hotel Noir - daß es tatsächlich kein 'Durchkommen' gibt.
"Gut durchzukommen ist eine vordergründige bzw. vorläufige Haltung. Sie ist nur ein (berechtigter) Zwischenzustand, der hoffen lässt zu einem 'höheren' Bewusstsein zu gelangen. In Ermangelung eines besseren Wortes möchte ich wirklich den Schwerpunkt auf 'Bewusstsein'/'höheres Bewusstsein' legen."
Vielleicht hätte ich eben nur 'Bewußtsein' schreiben sollen. Aber wie grenzt man das ab zum 'Alltagsbewußtsein'?
Die Schöpfung ist verbesserungsbeduerftig. Nicht weil der Schöpfer das so will, sondern weil wir es nicht lassen können, zu verbessern. Wir wollen halt selbst ein bisschen schöpfen.
Nochmals Castaneda:
"Wir sind vom Universum geschaffene energetische Sonden.
Und weil wir Energie besitzen, die Bewusstsein hat, sind
wir das Mittel, mit dem das Universum sich seiner selbst
bewusst wird. Die Ereignisse der Zukunft sind die
unerbittlichen Herausforderer. Sie sind das Medium, mit
dem uns das Universum testet."...mit dem sich das Universum selbst testet. 'Testen' nicht im moralischen Sinn gegen Benotung sondern im existenziellen Sinn. Was ist fähig zu bestehen?
In der aktuellen Phase z.B. wird wirklich unser egoistisches Bewußtsein (um auf die Aspekte von Hotel Noir einzugehen) getestet. Ich behaupte, daß wir in einer gewissen Zeitspanne das hinter uns haben, Niemand hat mehr Interesse an einem solchen Leben. Es wird keine Kraft mehr haben. Weder uns zu beeindrucken, noch uns zu verführen. Die Ereignisse der Zukunft sind die unerbittlichen Herausforderer. Daran wird das egoistische Handeln getestet und ich gehe jede Wette ein, daß es nicht bestehen bleibt. Mit egoistischem Geist können wir den Herausforderungen nicht begegnen. Die Menschen werden irgendwann neuen Geistern huldigen, die dann wieder geprüft werden...
Viele Grüsse
Hinterbänkler
Für die, welche noch etwas weiter lesen wollen (Übrigens im zweiten Teil unten sind unglaubliche Prophezeiungen von Nietzsche ausgesprochen worden. Ich finde, daß unsere heutige Situation genau der Situation des von Nietsche beschriebenen 'letzten Menschen' entspricht):Zarathustra aber sah das Volk an und wunderte sich. Dann sprach er also:
Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch, - ein Seil über einem Abgrunde.
Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben.
Was groß ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist.
Ich liebe die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als Untergehende, denn es sind die Hinübergehenden.
Ich liebe die großen Verachtenden, weil sie die großen Verehrenden sind und Pfeile der Sehnsucht nach dem andern Ufer.
Ich liebe die, welche nicht erst hinter den Sternen einen Grund suchen, unterzugehen und Opfer zu sein: sondern die sich der Erde opfern, dass die Erde einst der Übermenschen werde.
Ich liebe den, welcher lebt, damit er erkenne, und welcher erkennen will, damit einst der Übermensch lebe. Und so will er seinen Untergang.
Ich liebe den, welcher arbeitet und erfindet, dass er dem Übermenschen das Haus baue und zu ihm Erde, Tier und Pflanze vorbereite: denn so will er seinen Untergang.
Ich liebe den, welcher seine Tugend liebt: denn Tugend ist Wille zum Untergang und ein Pfeil der Sehnsucht.
Ich liebe den, welcher nicht einen Tropfen Geist für sich zurückbehält, sondern ganz der Geist seiner Tugend sein will: so schreitet er als Geist über die Brücke.
Ich liebe den, welcher aus seiner Tugend seinen Hang und sein Verhängnis macht: so will er um seiner Tugend willen noch leben und nicht mehr leben.
Ich liebe den, welcher nicht zu viele Tugenden haben will. Eine Tugend ist mehr Tugend, als zwei, weil sie mehr Knoten ist, an den sich das Verhängnis hängt.
Ich liebe den, dessen Seele sich verschwendet, der nicht Dank haben will und nicht zurückgibt: denn er schenkt immer und will sich nicht bewahren.
Ich liebe den, welcher sich schämt, wenn der Würfel zu seinem Glücke fällt und der dann fragt: bin ich denn ein falscher Spieler? - denn er will zugrunde gehen.
Ich liebe den, welcher goldne Worte seinen Taten voraus wirft und immer noch mehr hält, als er verspricht: denn er will seinen Untergang.
Ich liebe den, welcher die Zukünftigen rechtfertigt und die Vergangenen erlöst: denn er will an den Gegenwärtigen zugrunde gehen.
Ich liebe den, welcher seinen Gott züchtigt, weil er seinen Gott liebt: denn er muss am Zorne seines Gottes zugrunde gehen.
Ich liebe den, dessen Seele tief ist auch in der Verwundung, und der an einem kleinen Erlebnisse zugrunde gehen kann: so geht er gerne über die Brücke.
Ich liebe den, dessen Seele übervoll ist, so dass er sich selber vergisst, und alle Dinge in ihm sind: so werden alle Dinge sein Untergang.
Ich liebe den, der freien Geistes und freien Herzes ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens, sein Herz aber treibt ihn zum Untergang.
Ich liebe alle die, welche schwere Tropfen sind, einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über den Menschen hängt: sie verkündigen, dass der Blitz kommt, und gehn als Verkündiger zugrunde.
Seht, ich bin ein Verkündiger des Blitzes und ein schwerer Tropfen aus der Wolke: dieser Blitz aber heißt Übermensch. –
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Als Zarathustra diese Worte gesprochen hatte, sah er wieder das Volk an und schwieg. "Da stehen sie'', sprach er zu seinem Herzen, "da lachen sie: sie verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese Ohren.
Muss man ihnen erst die Ohren zerschlagen, dass sie lernen, mit den Augen hören. Muss man rasseln gleich Pauken und Bußpredigern? Oder glauben sie nur dem Stammelnden?
Sie haben etwas, worauf sie stolz sind. Wie nennen sie es doch, was sie stolz macht? Bildung nennen sie's, es zeichnet sie aus vor den Ziegenhirten.
Drum hören sie ungern von sich das Wort "Verachtung''. So will ich denn zu ihrem Stolze reden.
So will ich ihnen vom Verächtlichsten sprechen: das aber ist der letzte Mensch.''
Und also sprach Zarathustra zum Volke:
Es ist an der Zeit, dass der Mensch sich sein Ziel stecke. Es ist an der Zeit, dass der Mensch den Keim seiner höchsten Hoffnung pflanze.
Noch ist sein Boden dazu reich genug. Aber dieser Boden wird einst arm und zahm sein, und kein hoher Baum wird mehr aus ihm wachsen können.
Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinaus wirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat, zu schwirren!
Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.
Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. Wehe! Es kommt die Weit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann.
Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.
"Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern'' - so fragt der letzte Mensch und blinzelt.
Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.
"Wir haben das Glück erfunden'' - sagen die letzten Menschen und blinzeln.
Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.
Krankwerden und Mißtrauen-haben gilt ihnen sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Tor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!
Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.
Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt dass die Unterhaltung nicht angreife.
Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.
Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das gleiche, jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.
"Ehemals war alle Welt irre'' - sagen die Feinsten und blinzeln.
Man ist klug und weiß alles, was geschehn ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald - sonst verdirbt es den Magen.
Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.
"Wir haben das Glück erfunden'' - sagen die letzten Menschen und blinzeln -
Und hier endete die erste Rede Zarathustras, welche man auch "die Vorrede'' heißt: denn an dieser Stelle unterbrach ihn das Geschrei und die Lust der Menge. "Gib uns diesen letzten Menschen, oh Zarathustra, - so riefen sie - mache uns zu diesen letzten Menschen! So schenken wir dir den Übermenschen!'' Und alles Volk jubelte und schnalzte mit der Zunge. Zarathustra aber wurde traurig und sagte zu seinem Herzen:
Sie verstehen mich nicht: ich bin nicht den Mund für diese Ohren.
Zu lange wohl lebte ich im Gebirge, zu viel horchte ich auf Bäche und Bäume: nun rede ich ihnen gleich den Ziegenhirten.
Unbewegt ist meine Seele und hell wie das Gebirge am Vormittag. Aber sie meinen, ich sei kalt und ein Spötter in furchtbaren Späßen.
Und nun blicken sie mich an und lachen: und indem sie lachen, hassen sie mich noch. Es ist Eis in ihrem Lachen.
Antworten:
- Das ist unfair! detlef 10.05.2006 03:49 (0)
- Das war jetzt lustig: Hinterbänkler 10.05.2006 00:40 (0)