Wie wärs z. B. mit Kommunismus pur?

Geschrieben von Bern8 am 04. Januar 2007 14:52:59:

Als Antwort auf: Re: Die Offenheit freut mich! geschrieben von kamikatze am 04. Januar 2007 13:23:36:

Jau, ebenfalls,

ich verlass mich hier weniger auf Schauungen, sondern eher auf sachliche Analysen. Da diese Zeit benötigen, bleibt nicht so viel zum Schreiben der entsprechenden Gedankengänge, weshalb der eine oder andere vielleicht nicht ganz mitkommt.

Was ist das Bild der Analyse der Gegenwart? Ökonomie und Staat? Du müsstest es ja wissen, oder hast Du in Marxismus-Leninismus damals als das noch Pflichtfach war nicht aufgepasst? Die Betrachtungen Lenins - jetzt mal unabhängig was in den daraus resultierenden Staatsgebilden daraus gemacht wurden - liefern doch ein recht schönes Bild über die Situation der Welt. Dass hier fast hundert Jahre dazwischenliegen, tut der Richtigkeit der Sache keinen Abbruch.

Man muss doch nur ein paar Namen bzw. Staaten austauschen, dann hat man statt der Situation 1910 oder 20 die Situation von heute:
- Massive Konzentration der Produktion in transnationalen und internationalen Monopolen
- Überschäumendes Kapital drängt in ausländische und riskante Unternehmungen zur weiteren Profitmaximierung (Globalisierung, China, Indien)
- Beseitigung freier Konkurrenz ausserhalb der Monopole durch die entsprechenden Maßnahmen (bestes Beispiel ist hier die bayrische CSU!)
- Dominanz der Rohstoffmonopole über die Fertigteilindustrien (z. B. Gazprom, Norils Nickel, EON)==> Preissteigerungen am Fertigprodukt wesentlich schlechter durchsetzbar als am Rohstoff (Gas, Öl, Energie, Metalle)
- Konzentration des Kapitals und der Gewinne in wenigen Händen
- Degradierung der Produktionssektoren zu Hilfsmitteln der Finanzinstitute und -spekulation (Maximale Konzentration des Profites und somit auch maximale Gehälter in diesen Sektoren: City London, Zürich, New York)
- Regierungen, Staaten und überstaatliche Zusammenschlüsse als Marionetten des Großkapitals

Detaillierter kann man das in der entsprechenden Standardliteratur, welche aus der DDR-Zeit noch massenhaft vorhanden sein müsste und für ein paar Euro auch für Harz-IV-Empfänger erschwinglich sein müsste.

In der letzten Stufe: Was folgt nach der Theorie Lenins?
- Rebellion der ausgebeuteten Bevölkerungen und Staaten gegen die kapitalistische Ordnung (wird hier im Forum unter der Rubrik "Bürgerkrieg" geführt)
- Expropriation der monopolisierten Industrien unter populistischen Aspekten ==> Beispiele gefällig: z. B. Yukos, Media-Most, Gazprom & Co. in Russland; in Europa derzeit noch nicht so weit; Anzeichen wären z. B. Rückverstaatlichung von Telefonunternehmen, Energieversorgern, Post, Auffanggesellschaften für große Konzerne (z. B. Ford, GM)

Soweit so klar. Was folgt jetzt? Nach Lenin der reine Kommunismus, der aufgrund des globalen Charakters der Krise diesmal durchaus eine Chance auf Verwirklichung besitzt (i. Ggs. zum "Sozialismus in einem Land", der zwangsläufig in Gegensatz zu den verbleibenden Kapitalistischen Staaten treten musste). Ich persönlich habe jedoch noch nicht verstanden, was hierunter in der Theorie eigentlich genau zu verstehen ist; ich sehe es eher als Fortsetzung der Monopolkonzentration durch Verschmelzung mit der staatlichen Bürokratie. Die Schwächen des Monopolsystems werden meiner Auffassung dadurch noch zusätzlich verstärkt (z. B. Verlust der Eigeninitiative der Menschen, überproportionales Wachstum der Verschuldung in Relation zur Wertschöpfung); jedoch kann ein solches System, wenn es innerlich zusammenhält, durchaus ein paar Generationen existieren (vorausgesetzt, der Vorrat, von dem man zehren kann, ist groß genug), ohne dass irgendwer hier was dagegen machen kann.

Diese Phase steht uns hier noch bevor. Und davon wird uns auch keine Prophezeihung bewahren. Ich kann jedem nur den Ratschlag geben, sich in diesem Umfeld möglichst konfliktfrei und somit angenehm einzurichten. In diesem Fall haben die Mitbürger, die die DDR aus eigener Erfahrung noch kennen, einen Vorteil gegenüber den anderen; diesen Vorteil zu nutzen, ist jedoch wieder eine andere Sache, denn dazu bedarf es erstens Eigeninitiative und entsprechend analytisches Denken, welche untrennbar miteinander verwoben sind und die leider Gottes durch eben jenes System massiv aberzogen wurden. Es ging ja nicht darum, den Bürger zu lehren, die Analysen Lenins nachzuvollziehen, sondern die daraus von SED und KPDSU geschmiedeten Parolen möglichst vorbehaltlos nachzuplappern.

Schluss für heute. Ich muss mit meinen Analysen fortfahren, um mich rechtzeitig angenehm einrichten zu können.

Hochachtungsvoll




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