Weitere Recherche betr. Testament eines fliehenden Papstes

Geschrieben von Fred Feuerstein am 20. November 2006 22:18:44:

Weitere Recherche betr. "Testament eines fliehenden Papstes" bzw. "Testament eines Pfarrers"

Anläßlich des Postings von randomizer habe ich in der letzten Zeit versucht mich schlau zu machen, ob es sich wirklich um eine Fälschung handelt, oder nur (wie so oft) die Quellenlage ungeklärt ist.

Ergebnisse:
1. Der Text wurde wirklich am 17. März 1917 in der Süddeutschen Zeitung gedruckt. Ich habe mir die Faksimile besorgt und auf einen FreeHost Server zum Download gelegt (s.u.) Die Süddeutsche beruft sich auf den „Pforz. Anz.“ (wahrscheinlich „Pforzheimer Anzeiger“).
2. E-Mail Anfragen in Wismar ergaben schließlich: „…der von Ihnen beschriebene Druck ist zur Zeit in keiner Ausstellung im Rathaus und unter den übermittelten Angaben auch nicht im Museum verzeichnet. …Ich bedaure daher, Ihnen keine Abbildung zukommen lassen zu können.“
3. I-Net Recherchen ergaben, daß es m.W. in Wismar kein Kloster zum hl. Geist gegeben hat, sondern nur eine Kirche zum hl. Geist, welche zeitweise als Hospital gedient hat. Ein Kloster zum hl. Geist gibt es in der näheren Umgebung nur in Stralsund.
4. Somit ergibt sich derzeit als „erstes“ Druckdatum der 17.März 1917
5. Zum 17. März 1917 ist aber schon über 90% des Textes Geschichte:
- „Zeit, päpstliche Stuhl leer“: Pius X. starb am 20. August 1914 in Rom, Benedikt XV ab 3.9. 1914, d.h. ca. 14 Tage ohne Papst während Anfangszeit des ersten Wk.
- „Fürstenmord“: Attentat auf Franz Ferdinand
- 7 Reiche gg. einen Vogel mit 2 Köpfen: Die Anzahl stimmt ungefähr, wenn man die militärisch/wirtschaftliche Stärke nimmt. Vogel mit 2 Köpfen: damalige Flagge von Österreich/Ungarn als auch die beiden Verbündeten Dtld/Österreich.
- „Roß von der verkehrten Seite besteigen“: Kaiser Wilhelm II mit gelähmtem linken Arm.
- „Wagen ohne Rosse“: Automobile
- „feurige Drachen“ : Doppeldecker, Bomben von Hand abgeworfen
- „3 Jahre und 5 Monate“: Kriegsdauer falsch! (Wunsch Vater des Gedankens)
- „Brot gezeichnet und geteilt“ Brotmarken ab 1915
- „Menschen auf Grund des Meeres“: U-Boote im ersten Wk.
- „Das Volk des Siebengestirns fällt dem bärtigen Volk in den Rücken“: wahrscheinlich der „Schlacht am Birkenbäumchen“ entlehnt und ein Element des 3.Wk!
- „Niederrhein zittern … aber bestehen bis ans Ende der Zeit“: eigentlich falsch, Dtld verliert den Krieg.
- Das folgende liegt in der damaligen Zukunft und scheint vermengt mit den alten Prophezeiungen über den 3.Wk.

vorläufige Schlußfolgerung
Ohne Originaldruck ist es sehr wahrscheinlich, daß es sich bei dem Text „Testament eines fliehenden Papstes“ bzw. „Testament eines Pfarrers“ um eine optimistische Fake ex eventu Prophezeiung handelt, um das zu der Zeit (1917) sicherlich schon etwas kriegsmüde Volk von einem nahen Sieg Deutschlands propagandistisch zu überzeugen.
Sollte doch noch der Originaldruck von 1701 (bei Friedl: 1709) entdeckt werden wandert diese meine „Expertise“ postwendend in die Tonne. Bis dahin fungiert das „Testament….“ als Platzhalter in eben besagter ominösen Tonne. ;-)


Quellen hierzu:
Abschrift einer Prophezeiung aus der Süddeutschen Zeitung vom 17.März 1917:

Nr 74 Jahrgang 1917 Erstes Blatt der Süddeutschen Zeitung

Überschrift: Leben/Kunst/Wissen

(Eine Prophezeiung) Beim Niederlegen einer Mauer im Kloster zum heiligen Geist zu Wismar in Meklenburg wurde in einer Bibel ein Pergament mit einer prophetischen Schrift gefunden. Das Pergament befindet sich jetzt im Rathaus zu Wismar unter Glas und Rahmen. Die im Jahre 1701 von einem fliehenden Klosterbruder geschriebene Aufschrift lautet, wie man dem „Pforz. Anz.“ (eig. Anm.: wahrscheinlich „Pforzheimer Anzeiger“ gegr. 1873) mitteilt, wie folgt:

Herr erbarme dich deines Volkes welches sich immer mehr von dir abwendet. Es zerstört deine Klöster und vernichtet deine hl. Orten. Es eignet sich die Kraft an und macht sie seinen Zwecken dienbar. Europa wird zu einer Zeit, da der päpstliche Stuhl leer ist, von fürchterlichen Züchtigungen heimgesucht. Bosheit, Verleumdung, Gehässigkeit wird ein kleines Häufchen aufreizen. Durch Fürstenmord wird der Brand entfacht. 7 Reiche werden sich erheben gegen einen Vogel mit 2 Köpfen. Die Vögel werden mit ihren Fittichen ihr Recht schützen und mit ihren Krallen werden sie es verteidigen. Ein Fürst aus der Mitte, der sein Roß von der verkehrten Seite besteigt, wird von einem Wall von Feinden umringt sein. Des Monarchen Wahlspruch lautet: “Mit Gott vorwärts“ Die Allmacht Gottes wird diesem beistehen und ihn von Sieg zu Sieg führen. Es wird ein großes Ringen stattfinden von Ost und West und wird viele Menschen vernichten. Machtlos werden die Menschen diesem allem zusehen müssen. Die Wagen werden ohne Rosse dahinsausen feurige Drachen werden durch die Lüfte fliegen und Feuer und Schwefel speien und Städte und Dörfer vernichten, machtlos werden die Menschen allem zusehen. 3 Jahre und 5 Monate wird der Aufruhr dauern. Hungersnot Seuchen und Pest werden viele Menschen fordern. Die Zeit wird kommen da du da du weder kaufen noch verkaufen kannst.
Das Brot wird gezeichnet und geteilt werden. Meere werden sich rot färben von Blut. Die Menschen werden auf dem Grund des Meeres wohnen und auf ihre Beute lauern. Das Volk des Siebengestirns wird in das Ringen eingreifen und dem bärtigen Volk in den Rücken fallen. Der ganze Niederrhein wird erzittern und erbeben aber nicht unterliegen, sondern bestehen bis ans Ende der Zeit. Das Land im Westen wird ein Land der Zerstörung sein. Das Land im Meer wird mit seinem König geschlagen und auf die tiefste Stufe des Elends komen, das bärtige Volk wird noch lange bestehen. Alle Völker der Erde werden in Mitleidenschaft gezogen.
Der Sieger trägt ein Kreuz und zwischen 4 Städten mit 4 gleichen Türmen findet die Entscheidung statt. Dort steht ein Kreuz zwischen 2 Lindenbäumen. Hier wird der Sieger nieder knien und seinem Gott danken. Alle Tänze der Gottlosigkeit wird der Krieg abschaffen und wieder göttliche Ordnung in Kirche, Staat und Familie herstellen. Der Krieg wird beginnen wenn die Aehren sich voll neigen, wird seinen Höhepunkt erreichen wenn die Kirschen zum dritem Male blühen.
Den entgültigen Frieden schließt der Fürst zur Zeit der Christmesse.


Faksimile des Zeitungsberichts in der Süddeutschen vom 17.März 1917::
Faksimile der Süddeutschen Zeitung vom 17.März 1917
(Achtung: Als Paßwort weiter unten in der Seite bitte eingeben: Papst
Speicherdauer ist leider nicht unbegrenzt)


mit freundlichen Grüßen
Fred

PS: @ randomizer: Könntest du die Gründe von J. Illig kurz ausführen, welche ihn zu der Schlußfolgerung gelangen lassen, daß es sich um eine Ex-eventu Propheziung handelt ?(Historische Prophezeiungen und.. Pfullingen 1922. S. 37-39).

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