Interview mit Heinz Prüller: Ich glaube, er kommt zurück

Geschrieben von Bern8 am 21. Oktober 2006 18:55:20:

Als Antwort auf: Sonntag letztes Rennen von Schumacher geschrieben von Humorvoller Bunkerbauer am 21. Oktober 2006 16:43:58:

Hallo Bunkerbauer,

heute steht in der Passauer Neuen Presse ein Interview zu lesen, in dem Heinz Prüller zum Thema Schumacher interviewt wird. Darunter wird auch die Wahrscheinlichkeit eines Comeback besprochen. Ich bleibe dabei, wenn Comeback, dann in 1 Jahr, und wenn Unfall, dann 2008. Wenn kein Comeback, ganze Aussage Essig.

Ciao.

Der gesamte Text ist hier zu lesen:


„Ich hab’ das Gefühl, er wird wiederkommen“


„Die Stimme der Formel 1“: Heinz Prüller interviewt Michael Schumacher beim Großen Preis von Monaco in Monte Carlo. Der Kultreporter der Formel 1 hat seit 1991 alle 249 Grand-Prix-Rennen des Motorsport-Helden für den ORF kommentiert. (Foto: ORF)

Kein Journalist hat Michael Schumacher so eng begleitet wie ORF-Legende Heinz Prüller (65). Im PNP-Interview spricht er über das Phänomen Schumacher.

Herr Prüller, Sie haben als TV-Kommentator die Karriere von Michael Schumacher seit den Anfängen begleitet . . .

Prüller: Ich bin vielleicht der Einzige, der all seine 249 Rennen miterlebt hat. Diesen Aufstieg mitzuerleben, war schon sensationell.

Wie haben Sie ihn denn kennengelernt?
Prüller: Am Nürburgring 1991, da fuhr er Mercedes-Sportwagen. Er war ein Bursche mit 21 Jahren, hat 30 000 Mark Jahresgehalt gehabt, wie er mir erzählt hat, war darüber sehr glücklich. Mercedes hat mich damals ersucht, in einem Zelt eine Gala-Show zu moderieren, auch Michael Schumacher war da. Er hatte gerade einen schweren Unfall gehabt. Ich hab’ mir gedacht, du kannst doch einen solchen jungen Burschen nicht nach seinem Unfall fragen. Was ich damals nicht wusste, war, aus welchem Material der Bursche ist.

Über all die Jahre hat sich doch bestimmt ein persönlicher Kontakt ergeben . . .
Prüller: Schumacher war zu Beginn seiner Karriere öfters in Gars am Kamp, beim Formel-1-Professor Willi Dungl, der Mann hinter Lauda, Berger. Wir haben uns ein

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Sachertorte
mag er gern

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paar mal da oben getroffen. Ich hab’ einen Hund, der heißt Grimaldi, und mit dem hat der Michael sehr gern gespielt. Michael hat ja eine unheimlich große Tierliebe. Natürlich hat man auch mal gemeinsam zu Abend gegessen, aber ich will mich jetzt nicht als Vertrauter darstellen. Auch wenn ich ihm ab und zu mal eine Sachertorte mitgebracht hab’. Die mag er nämlich gern.

Welcher Eindruck von Michael Schumacher überwiegt denn nun bei Ihnen? Der gnadenlose Ehrgeizling oder der warmherzige Familienmensch?
Prüller: Für mich ist seine unheimliche Konsequenz faszinierend. Wenn er sich etwas vornimmt, weicht er nicht einen Millimeter davon ab. Er hat aber auch viele menschliche Züge, die man nicht übersehen darf. Es hat ihn einmal ein Teamchef sehr gescheit beschrieben, als er gesagt hat, Michael Schumacher habe zwei Gehirne, eines für die Strategie im Rennen, eines für sein Auto. Stellen Sie sich vor: Sie kommen mit dem Auto in die Dämmerung, es fängt an zu regnen, sie machen Licht an, betätigen den Scheibenwischer, wollen das Radio leiser stellen. Da kommt auf einmal sehr viel zusammen. Schumacher hat komplexe Aktionen zwei Stunden lang bewältigt, alle zwei, drei Sekunden Entscheidungen getroffen, die richtigen. Da hat er übernatürliche Talente. Und von seiner Fitness gar nicht zu reden.

Da können Sie bestimmt auch eine Geschichte erzählen . . .
Prüller: Ja, Damon Hill (Schumachers erster großer Gegner) hat ihn nach einem Rennen einmal angeschaut. Er hat sich gewundert, weil Schumacher überhaupt nicht verschwitzt oder gar erschöpft wirkte. Da hat er ihn gefragt, sag’ mal, bist du noch ein Mensch oder bist du schon ein übernatürliches Wesen? Schon als Mercedes-Junior hat Schumacher irrsinnigen Ehrgeiz an den Tag gelegt. Wenn im Team Tischtennis spielen anstand, da musste er auch immer unbedingt gewinnen. Er ist ein totaler Siegertyp.

Was man im Rennsport ja wohl auch sein muss . . .
Prüller: Ein Beispiel: In Imola hat ihm Ross Brawn (Ferraris Strategie-Chef) mal gesagt, du, Michael, wir brauchen einen zusätzlichen Boxenstopp, sonst können wir Mercedes nicht schlagen. Kannst du in 17 Runden 25 Sekunden Vorsprung herausfahren? Schumacher hat ja gesagt und es hingekriegt. Eine Meisterleistung.

Im Tricksen war er auch nicht schlecht . . .
Prüller: Natürlich sind auch seine Tricks in Erinnerung geblieben. Nicht die bei Benetton, die Sache mit der Traktionskontrolle, die Unterboden-Geschichte, oder das brennende Auto von Jos Verstappen, wo sie bei den Tankstopps immer diesen Filter weggenommen haben. Das alles war mehr das Team. Aber Schumacher ist, ich will nicht sagen ein Schlitzohr, aber er wusste immer genau, was

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In der Formel 1
kann alles passieren

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zu tun ist. Er hat einmal eine Boxenstrafe bekommen in Silverstone in den letzten fünf Runden. Und was macht der Schumacher: Er fährt in der letzen Runde in die Boxengasse und dort über die Ziellinie - und hat so gewonnen.

Was bleibt in Ihrer Erinnerung hängen?
Prüller: Ich glaub’, es war in Silverstone, wir standen so zusammen, und ich habe Michael gebeten, dass er in einem Buch unterschreibt, das wir unserem Regisseur Fritz Melcher zum Geburtstag schenken wollten. Er hat mich angeschaut und gesagt, er müsste jetzt mit dem Moped zur Streckenbesichtigung. Ich habe gesagt, Michael, während wir hier diskutieren, kannst du hundertmal unterschreiben. Nein, hat er gesagt, ich fahre jetzt auf die Strecke. Und das hat er auch gemacht. So war er, so ist er. Absolut fixiert auf den Erfolg. Nehmen wir 1997, das WM-Finale in Jerez mit Jacques Villeneuve. Er wusste, der durfte nicht an ihm vorbei. Und als er dann neben ihm war, hat er nach rechts gelenkt und ist in ihn reingefahren. Michael hat mir später gestanden, das Schlimmste sei für ihn gewesen, sich selbst zuzugestehen, einen Fehler gemacht zu haben. Schumacher fühlt sich quasi geleitet oder gelenkt von irgendwas. Ähnlich muss es heuer in Monte Carlo gewesen sein, als er das Auto in die Kurve gestellt hat. Da muss er gewusst haben, Alonso ist schneller, also lass’ ich das Auto stehen. Blaue Flagge, Training war fertig, weil niemand überholen oder schneller fahren darf. Also diese Geschichte war schon überm Limit, da haben sie ihn ja auch auf den letzten Startplatz versetzt. Aber die Geschichte zeigt einmal mehr Schumachers Willen zum Erfolg und sein programmiertes Hirn.

Worauf ist sein Hirn denn programmiert im 250. und letzten Rennen seiner Karriere?
Prüller: Naja, er muss gewinnen, gar keine Frage. Und was ich Ihnen schon jetzt sagen kann, es wird regnen - genau wie vor drei Jahren, als beide, Schumacher und Alonso, rausgeflogen sind.

Das wäre zu wenig für einen achten WM-Titel . . .
Prüller: Eins ist klar: Einen Punkt fährt Alonso normal mit einer Hand raus. Aber: Man weiß nicht, wie das Training läuft, wie die Startaufstellung ist. Die Strecke ist sehr bucklig, man kann rausrutschen. Man darf nicht glauben, dass das ein Fußball-Match ist, das kurz vor Schluss 10:0 steht. In

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Von Ammermüller erwarte ich viel

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der Formel 1 kann bis zum letzten Meter alles passieren.

Wie wird die Formel 1 nach Schumacher?
Prüller: Man neigt dazu zu sagen, wenn Schumacher abtritt, ist auch die Formel 1 gestorben. Ganz so ist es nicht. Die Rotkäppchen auf den Tribünen werden ausgetauscht gegen Blau-Weiß (BMW). Klar: Was Schumacher erreicht hat, wird’s so nicht mehr geben. Aber: Es sind immer wieder Stars nachgekommen.

Welche kommen diesmal?
Prüller: Alonso sagt, der neue Mann wird der Robert Kubica sein. Die Polen haben zum ersten Mal seit 100 Jahren, seit dem berühmten Grafen Louis Zborowski, wieder ein Motorsport-Idol. Also, es kommt immer einer, mit dem man gar nicht rechnet. In Deutschland geht es mit Sicherheit weiter. Vielleicht ist es Sebastian Vettel, oder Michael Ammermüller. Aber da hängt vieles von vielem ab. Sehen Sie, man muss sich mal fragen, was wäre mit Schumachers Karriere passiert, hätte Ayrton Senna überlebt. Der Michael hat durch Gottes Fügung eine sehr, sehr günstige Zeit in der Formel 1 erwischt.

Sie haben den Pockinger Michael Ammermüller erwähnt . . .
Prüller: Ich habe mich mit dem Michi neulich länger unterhalten und war sehr beeindruckt. Er ist mit seinen 20 Jahren schon sehr reif. Der Helmut Marko (Red-Bull-Sportchef) hat gesagt, ihn hat neben seinen Leistungen an Ammermüller am meisten beeindruckt, dass der völlig allein angekommen ist. Kein Pressechef, kein Manager, der konzentriert sich aufs bloße Fahren. Und ich hab’ zum Michi gesagt: Brillenträger zu sein, ist ein Riesen-Vorteil.

Warum?
Prüller: Ich erinnere an Carlo Abarth, den großen Rennsportler, der gesagt hat, ich verpflichte nur Rennfahrer mit Brille - die sehen schlechter und bremsen darum später. Im Ernst: Von Ammermüller erwarte ich viel. Vielleicht tritt er ja in die Fußstapfen von Michael Schumacher, auch wenn diese Schuhe sehr, sehr groß sind.

Und was macht Schumacher ohne Formel 1?
Prüller: Er wird erst Mal nach Norwegen hinaufgehen wie immer, Skifahren und so weiter. Ja, und dann im Frühling wird’s ihn irgendwann wieder jucken. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich bei Ferrari melden wird, so nach dem Motto: Könnt’s mich nicht ein Auto probieren lassen?

Sie glauben an ein Comeback?
Prüller: Also ich persönlich hab’ das Gefühl, er wird wiederkommen. Häkkinen hat aufgehört und gesagt, das Reisen, der viele Stress, die Medien seien ihm zu viel geworden. Nach zwei Jahren kommt der Häkkinen drauf, dass ihm das Reisen abgeht, der viele Stress und die Medien. Es gibt Gerüchte, dass Schumacher für Audi Le Mans fährt. Das glaub’ ich nicht. Denn man tritt nicht aus der Formel 1 ab, um Le Mans zu fahren, was viel gefährlicher ist, durch die unerfahrenen Piloten, die enormen Geschwindigkeits-Unterschiede. Dafür überlebt man nicht 250 Grand Prix mit einem einzigen Beinbruch, um dann sein Leben dort zu riskieren.

Was macht er dann?
Prüller: Ich traue ihm zu, dass er eine Tour de France für Touristen fährt, wie Alain Prost. Er wird sich mehr um die Kinder kümmern, die jetzt in ein Alter kommen, wo sie ihn brauchen. Und er selbst hat ja gesagt, wenn ihm nichts Gescheiteres einfällt, wird er Stallbursche bei seiner reitsportbegeisterten Ehefrau Corinna.

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Das Gespräch führte
Martin J. Freund

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