Re: Ein Knallerartikel von Eichelburg (Goldseiten.de)

Geschrieben von detlef am 26. Mai 2006 11:42:30:

Als Antwort auf: Re: Ein Knallerartikel von Eichelburg (Goldseiten.de) geschrieben von Hybris am 25. Mai 2006 08:49:33:

moin,

>naja, langweilig ist vielleicht das falsche Wort, eher unscheinbar/unspektakulär/uninteressant für die Grossmächte, weil es da nichts interessantes für die zu holen gäbe.

unscheinbar, weil nicht in den schlagzeilen.
nicht in den schlagzeilen, weil fest in nordamerikanischer hand.

>...Was ein Vorteil ist. Aber: wie würden Deiner Meinung nach die Einheimischen der deutschen Minderheit (5 bis 7%) gegenüber auftreten, wenn es kracht? Immerhin habt Ihr da ja noch den Grossgrundbesitz, ich schätze mal da gibt es einige deutsche Grossgrundbesitzer.

wir haben hier, grob aufgeteilt vier verschiedene gruppen deutsche/deutschstaemmige.
die deutschbrasilianer
die reichsdeutschen
die freikirchler
die steuerfluechtlinge

als gruppe die aermsten sind die deutschbrasilianer. merkwuerdigerweise sind sie auch diejenigen, die den meisten hass auf sich ziehen.
sie beweisen den (vorwiegend mestizischen) paraguayern immer wieder, dass ein gesunder mann mit nichts weiter als axt, spaten und machete, innerhalb einer generation seine familie zu bescheidenem wohlstand fuehren kann.
sie bleiben vowiegend unter sich. wenn sie sich mischen, eher mit negroiden brasilianern (auch sehr fleissig) oder den anderen deutschen gruppen.

die reichsdeutschen definieren sich vorwiegend ueber volksfeste, und deutsche kulturvereine. inzwischen sieht es bei denen so aus, dass kaum noch eine familie ohne mestizenblut existiert.
da kann es schon mal passieren, dass in einer tanzgruppe mit bayrischen trachten nicht ein einziges weisses gesicht zu sehen ist. aber sie verstehen sich noch als deutsche.
da sie, ausser den ideologischen bindemitteln der gruender auch noch die stammesbindungen der mestizen verinnerlicht haben, sind sie als gruppe erfolgreich, meistens einigermassen wohlhabend.
auch unser ex president Stroessner gehoert zu dieser gruppe.

die freikirchler haben sich als geschlossene gruppen, "kolonien" an verschiedenen (damals unbesiedelten) stellen des landes niedergelassen.
evangelisch-puritanisch haben sie durch ora et labora und ihr sozialistisches cooperativssystem einen allgemeinen, mittelstaendischen wohlstand erreicht.
(in eine dieser gruppen bin ich durch heirat hineingerutscht)
sie haben zwei generationen lang, in enger verbindung mit "unseren missionierten indianern" praktisch ohne verbindung zur paraguayischen gesellschaft gelebt.
eigene "staatliche" organe (nach sowjetrussischem vorbild)um die fehlende praesenz des paraguayischen staates zu kompensieren waren typisch.
seit knapp einer generation oeffnen die sich (soweit unvermeidbar)
inzwischen wird hier in der schule sogar schon spanisch unterrichtet.

die "steuerfluechtlinge", investoren, erfolgreiche betrueger, etc. die hier das geld investieren wollen, dass sie in deutschland verdient oder ergaunert haben, kommen meistens mit viel geld und wenig erfahrung. nach einigen jahren gehen die meisten von ihnen zurueck, mit wenig geld und viel erfahrung.
die verwirklichen oft den traum von der eigenen ponderosa, oder bauen sich ihr eigenes mini-staatswesen auf. die mehrzahl von ihnen fallen auf betrueger herein.
manche von ihnen werden auch umgebracht, entweder, weil sie die starke rolle, die hoeflichkeit und ehre in einer bewaffneten gesellschaft haben, nicht begreifen, oder weil sie fern ab von allen anderen besitzenden ihren (fuer hier) immensen reichtum zu protzig vor sich hertragen.
die, die es schaffen, die zeit als betrugsopfer durchzustehen, gliedern sich spaeter meistens bei den reichsdeutschen ein.

>... Wie stabil ist die Gesellschaft in so einem Fall? Mit dem jetzigen Präsidenten scheint Ihr ja jedenfalls endlich mal einen halbwegs vernünftigen bekommen zu haben, nach der turbulenten Vergangenheit.

der jetzige praesident tut genau das, was der nordamerikanische botschafter vorsagt. nicht mehr, nicht weniger.
gewaehlt ist er auf nordamerikanische art.

>... Sitzen da nicht auch zwei Ex-Präsidenten im Knast? Was würde im Kriegsfall mit dem Itaipu-Kraftwerk passieren, was ja zu 50% zu Brasilien gehört?

nein. der expraesident stroessner (der auch heute noch, mit ueber neunzig jahren, jede ehrliche wahl mit ueber 60 prozent gewinnen wuerde) - der, den ihr diktator nennt - der lebt in brasilien im exil.
sein enkel ist gerade in die politik gegangen.
die herrschenden werden es sehr schwer haben, den von der praesidentschaft fernzu halten.

der einzige andere praesident, der in einer sauberen wahl gewann, Cubas - Grau, lebt unter hausarrest.
als der die befehle aus dem norden nicht mehr gut genug befolgte, wurde er per staatsstreich durch den senatspresident abgesetzt.
dieser, Gonzales - Macci, vermied es, binnen 90 tagen die von der verfassung verlangten neuwahlen zu veranstalten, und herrschte fuenf jahre. danach uebergab er an den jetzigen.
inzwischen ist er angeklagt, er war zu brutal und unvorsichtig beim melken.

itaipu - da wuerde sich nichts aendern. wir wuerden weiter die benoetigten 5 % der energie erhalten, und um die royalties fuer 45 % betteln, weil sie nur sporadisch kommen.

>Letztlich würden die südamerikanischen Länder, so unscheinbar und unwichtig sie für die heutige westliche Gesellschaft erscheinen, aber einen immensen Vorteil gegenüber dem Westen haben - sie sind (von der Auslandsverschuldung und Importen mal abgesehen) relativ autark und (im Falle von Paraguay) landwirtschaftlich geprägt, also Selbstversorger. Das könnte im Kriegsfall sehr entscheidend sein. Und eben "langweilig", also weit vom Schuss.

wir werden dann wohl ein sehr schlechtes jahr erleben, bis die leute begreifen, dass sie statt fuer den export, fuer die eigenversorgung produzieren muessen.
aber, abgesehen von modernster elektronik produziert suedamerika alles notwendige in ausreichenden mengen selbst.
wenn nordamerika und europa morgen zusammenbrechen wuerden, haetten wir hier in ca zwei jahren ein besseres leben als jetzt.

>Wie siehst Du Dein neues Heimatland, so aus der Sicht des Ausgewanderten?

es ist nicht ideal. aber es ist, fuer mich persoenlich besser geeignet, als deutschlend, und die anderen zwei dutzend laender, die ich kennengelernt habe.

urbs bene, urbs patria...

gruss,detlef

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