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Re: Prädestination und freier Wille (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 17.10.2021, 17:08 (vor 912 Tagen) @ Leseratte (1056 Aufrufe)

Hallo!

Dummerweise ist die Freiheit zwar ein unabdingbares moralisches und juristisches Postulat, aber dann ist schon Schluss. Was Freiheit im menschlichen Handeln und Denken ist, läßt sich nicht so leicht wissenschaftlich eruieren. Forschung an eineiigen Zwillingen, die von Geburt getrennt waren, läßt Fragen offen, wenn (...) eineiige Zwillinge, die getrennt und ohne Kontakt zueinander aufwuchsen, sich ähnlich verhalten haben oder verhalten. Befragt hätten diese immer ihre Wahl, gleiche Vornamen der Ehefrauen etc., nicht als Zwang (Prädestination) sondern natürlich, wie andere Menschen auch, als Vollzug ihres freien Willens gedeutet. Was bindet die Zwillinge aneinander? Gene, die alles vorherbestimmen?

Es scheint, daß beim Worte "Freiheit" der Verstand gerne zu "unumschränkter Freiheit" verabsolutiert in dem Sinne, daß keine Freiheit bestünde, wenn man nicht ungehindert und unbeeinflußt alles denken und tun könne, was man will. Aus der Tatsache, daß der Mensch durch Geburt in Umstände hineingeschickt ist (Schicksal), die er nicht mehr verändern kann, wird das Postulat der Freiheit dann insgesamt über Bord geworfen bzw. das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Ob dem (damit spreche ich nicht Dich an – es ist eine verallgemeinernde Vermutung) eine Art narzisstischer Kränkung des Zivilisationsmenschen zugrundeliegt, der sich zwar selbst an die Stelle Gottes gesetzt hat, sich aber dennoch Gesetzmäßigkeiten (etwa durch "Gene" oder das Geschlecht) unterworfen sehen muß und in trotzige Ablehnung verfällt?

Unter ihrem materialistischen Dogma erkennen die Genforscher meiner Ansicht nach offenbar nicht, daß die Gene selbst nur Ausdruck und nicht Ursache sind. Oder sie sind vielmehr Vermittler zwischen den seelisch-geistigen Eigenschaften und den mitgebrachten karmischen Verbindungen des inkarnierenden Menschen einerseits und seinem Ausdruck in der grobstofflichen Welt andererseits (wobei der erste und stärkste Ausdruck der Körper ist).
Politische Einstellungen, Berufswahl und die Namen der Ehefrauen sind natürlich nicht in den Genen kodiert. Das Problem löst sich erst auf, wenn man nicht die Gene als gemeinsame Ursache erkennt, sondern die seelisch-geistigen Beschaffenheiten der Zwillinge, die eben nicht nur Körper-, sondern auch Seelenzwillinge sind, als tertium comparationis der Körper und Lebensläufe. Dem entsprechen gleichartige weltanschauliche Neigungen und gleichartige Talente, die sich in ähnlichen Lebenswegen niederschlagen. Sogar die Namen der Ehefrauen lassen sich auf diese Art erklären, wenn man bedenkt, daß auch der Name, den man in einem Leben bekommt, wohl nicht zufällig ist, sondern etwas bedeutet. So ist der Name des Ehepartners ein gewisses Echo der seelischen Resonanz beider Partner, wobei Seelenzwillinge natürlich zu gleichartigen Partnern neigen. Im übrigen wird desgleichen wohl nur in besonders prägnanten Fällen der Zwillingschaft vorliegen.
Astrologisch entsprechen dem vermutlich recht ähnliche Geburtshoroskope, weil bei identischem Geburtsort oft nur Sekunden oder Minuten zwischen den Geburten liegen.
Auf dieser Ebene der Betrachtung ist aber dennoch Freiheit gegeben, denn einerseits obliegt es den Menschen noch immer, wie sie sich zu den Umständen ihres Schicksals stellen, also welche innere Haltung sie einnehmen und wie sie sich in diesen Umständen einrichten. Andererseits sind die Umstände selbst die karmische Ernte zuvor (in früheren Leben) getroffener Entscheidungen, also die die Folge der unter früheren Schicksalsumständen eingenommenen Haltungen und Handlungsweisen. Es ist mit der Freiheit jedoch nicht so oberflächlich, wie es in unserer Gesellschaft in der Regel verstanden zu werden scheint und von mir im ersten Absatz angeschnitten wurde.

Philosophisch verzwickt wird es, wenn man überlegt, daß die Entwicklung des Menschen und der gesamten Menschheit als Teil der auf ein Ziel ausgerichteten Schöpfung wiederum nicht frei wäre, weil das Endergebnis bereits feststünde. Der Mensch würde auf verschiedenen Wegen, die aber alle nach Rom führen, lediglich darauf zu mäandern. Das entspräche die Erklärung in den Matrixfilmen, wo die freie Entscheidung lediglich eine notwendige Systemvariable ist, derer der Mensch für sein Funktionieren bzw. für das Erfüllen seiner Aufgabe bedarf, die darin besteht, das System sich vermittels des Menschen selbst reproduzieren zu lassen.

Oder sind, wie in der Quantenphysik, möglicherweise nahezu identische Wesen miteinander verwoben? Ist das Alltagsdenken nur nicht in der Lage, diese Verquickung zu sehen? Gibt es unbewußte, paranormale Kommunikation zwischen eineiigen Zwillingen? Ist es Quantenmechanik, da zwei gleichartige Gehirne aufeinander gepolt sind wie nicht anderes auf der Welt? Wären die Zwillinge genetisch für ihr Leben geprägt, wären sie nicht frei (wir natürlich auch nicht). Oder ist zwischen ihnen etwas vorhanden, was wir so bei unserem jetzigen Wissenstand nicht nachvollziehen können?

Mit der Quantenmechanik habe ich gewisse Probleme. Im Grunde stellt sie die Überstrapazierung des materialistischen Dogmas bis zum Äußersten dar. Mit dem Postulat in Gehirnen verschränkter Quanten, die sich weder beweisen, noch widerlegen lassen, ist nichts gewonnen. Es ist im Grunde ein Glaubenssatz, mit dem der moderne Physiker an den Grenzen seines Gefängnisses kratzt und in den spirituellen Bereich übergreifen will, ohne seine selbstangelegten Ketten ablegen zu müssen. Die Lösung liegt aber weder im Gehirn, noch in postulierten kleinsten Materiebestandteilen, die auf einer Ebene angesetzt werden, wo der vom oberflächlichen Verstande begreifbare grobe Stoff in "Energie" übergeht. Dabei ist "Energie" aufgrund seines hohen Abstraktionsniveaus ein hohler, nichtserklärender Begriff, der mit allerhand subjektiven und letztlich religiösen Vorstellungen gefüllt werden kann.

Ist die entscheidende Vorrausetzung einer möglichen Präkognition das Postulat der (göttlichen?) Prädestination, die Freiheit im Grunde ausschließt?

Die Lösung liegt in der Leistung des geistigen Spagates, daß Prädestination und Freiheit einander nicht ausschließen. Die Entwicklung der Schöpfung in der Zeit läuft auf einen Gesamtzustand bzw. viele zeitlich aneinandergereihte Einzelzustände hin, die jenseits der Raumzeit, wo in Platons Sinne die "Ideen" sind, als fertiger Schöpfungsgedanke bereits veranlagt sind (entsprechend Joh. 1,1: "Im Anfang war der Logos (das Wort), und der Logos war bei Gott und Gott war der Logos." – nämlich noch bevor Raum und Zeit, also die Welt geschaffen wurden). Die Freiheit ist dem entsprechend der Modus, in dem der Mensch den göttlichen Willen vollzieht, dem er als Bestandteil der Schöpfung vollständig unterworfen ist. Der Mensch kann nur wollen, was Gott ihn wollen will.
Aus dem Begriff der Freiheit können wir indes nicht aussteigen. Er gehört meines Erachtens wie Raum und Zeit zu den "reinen Anschauungen", die a priori gegeben sind und jeder Erfahrung zugrundeliegen. Raum, Zeit und das Empfinden der Handlungsfreiheit darinnen, die aus der Wahrnehmung der Bewegung und des zeitlichen Nacheinanders folgt, gehören zusammen. Es sind dies die Eckpfeiler, welche uns die Welt überhaupt erst konstituieren. Daher ist es recht sinnlos, die Freiheit, die zu unserem Selbstbilde in Raum und Zeit handelnder Wesen gehört, wegdiskutieren zu wollen, was übrigens selbst Ausdruck einer eingenommen Haltung, also eine Entscheidung ist. Die Formulierung einer Ablehnung der Freiheit und deren Disputation setzt die Möglichkeit, die Freiheit auch anerkennen zu können, voraus, ist also im Grunde eine contradictio in adjecto, ein Widerspruch in sich und Selbstwiderlegung.

Gruß
Taurec


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