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Chyren der "Islambezwinger" (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 04.01.2015, 13:59 (vor 3400 Tagen) @ ods (6237 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 26.09.2018, 08:49

Danke, sehr interessant, Ods!

Chiren (Selin) ist der bei Nostradamus am häufigsten genannte Name. Und es gibt nur einen Vers der nahelegt, dass Chiren ein "guter Monarch" sei:

IV-77
SELIN Monarque l'Italie pacifique
Regnes unis Roy chrestien du monde:
...

Wenn ich die zweite Zeile so interpretiere, dass Chiren indirekt dafür sorgt, dass sich die christlichen Könige der Welt vereinen/verbünden - weil sie sich vor Chiren fürchten - dann bricht das Kartenhaus des guten Monarchen Chiren zusammen. (Die Interpretation eines indirekt verursachten Ereignisses sehe ich auch in der dritten Zeile von X-72, aber das ist ein anderes Thema.)

Ich vermute, daß Chyren durchaus selbst sich die christlichen Reiche unterwirft.

In VI/70 ist er ebenfalls selbst König der Welt (Übersetzung nach Jean-Claude Pfändler):
Au chef du monde le grand Chyren ſera,
Plus oultre apres aymé craint redoubté:
Son bruit & loz les cieux ſurpaſſera,
Et du ſeul tiltre victeur fort contenté.

Zum Oberhaupt der Welt wird der große Chyren werden,
Darüber hinaus1 später geliebt, gescheut2, gefürchtet3.
Sein Ruf4 und Ruhm5 werden die Himmel übersteigen,
Und mit dem alleinigen Titel "Sieger" sehr zufrieden.


1 Lat. „plus ultra“ = „darüber hinaus”.
2 Frz. „craindre“ = „fürchten”, „befürchten”, „sich vor jemandem ängstigen”.
3 Frz. „redouter” = „jmd. fürchten”, „sich vor jmd. grauen” von lat. „re-“ + „dubitare” („zweifeln”). Im Grunde „craindre” in stärkerer Form.
4 Frz. „bruit” = „Gräusch”, „Lärm”, „Getöse”, „Gerücht”.
5 Frz. „loz“ von lat. „laus“ = „Lob“, „Verherrlichung“, „Anerkennung“. Im Vergleich zu VI/50 wurde die Wendung hier weniger weltlich übersetzt.

"Redouté" (mit "gefürchtet" wiedergegeben) übersetzt Pfändler unverständlicherweise mit "verehrt". Der Sinn ist genau das Gegenteil: "craindre", nur stärker. Man scheißt sich wirklich in die Hose, wenn man seinen Namen nur hört. Daher habe ich "craindre" etwas schwächer mit "gescheut" übersetzt.

Dazu zu gehören scheint uns Vers IV/86:
L’an que Saturne en eau ſera conioinct,
Auecques Sol, le Roy fort & puiſſant:
A Reims & Aix ſera receu & oingt,
Apres conqueſtes meurtrira innocens.

Das Jahr, in dem Saturn im Wasser verbunden ist
Mit der Sonne, der starke und mächtige König
Zu Reims und Aachen1 wird empfangen und gesalbt,
Nach Eroberungen ermordet er Unschuldige.

1 Frz. „Aix-la-Chapelle“ = „Aachen“.

"Saturn" steht symbolisch mit Unglück in Verbindung (er war ja Vorlage für den Sensenmann). Darüber hinaus ist in manchen Versen das Judentum als Saturn verschleiert (dies Saturni = Samstag = Sabbat). Letzteres scheint hier aber weniger zu passen. Daher: Unheil/Tod mit Umsturz (Wasser) verbunden.
"Sonne" steht hier aber durchaus für das Christentum (Sonntag). Der starke und mächtige König wird zu Reims (Krönungsstadt der französischen Könige) und Aachen. Letzteres war Residenz Karls des Großen und bis 1531 Krönungsort der römisch-deutschen Könige (und damit Kaiser).
Hier wird ein mächtiger christlicher Kaiser gekrönt, der Deutschland und Frankreich zusammen regiert (=> Reiche vereint in IV/77).
Aber wie in VI/70 ist er eine ziemlich üble Socke: nach seinen Eroberungen ermordet er Unschuldige.
Chyren ist also eine durchaus ambivalente Persönlichkeit.

Die Frage, die sich mir vor dem Hintergrund des groben Ablaufs stellt, lautet: Ist Chyren mit dem Kaier/Imperator, der in manchen Seherschauungen vorkommt und in älteren Prophezeiungen als "großer Monarch" einen festen Platz hat, identisch oder handelt es sich um einen weiteren Kaiser, der vielleicht Jahrhunderte später als Restaurator des Reiches auftritt?
Gewissermaßen, wenn man es mit dem römischen Imperum vergleicht:
Möglichkeit 1: "Chyren" = unser "Augustus"?
Möglichkeit 2: "Chyren" = unser "Konstantin", christlicher Reichsbefestiger?

Da der Islam hier bereits Fuß zu fassen begonnen hat, erscheint mir Möglichkeit 1 um so wahrscheinlicher, je länger die gegenwärtige Entwicklung andauert.

Dann stelle ich die These auf, dass der am häufigsten genannte - Chiren - diese Überschwemmung auslöst. Einen weiteren Beleg dafür habe ich im Moment nicht.

Ich vermute eher, daß er die "Überschwemmung" beendet, indem er einerseits den Islam aus Europa hinausfegt, andererseits als Synthese die Krise innerhalb Europas auflöst.

Was bei Nostradamus daruf hinzudeuten scheint, ist natürlich wieder höchst dubios, z. B.:

V/45:
Le grand Empire ſera toſt deſolé,
Et tranſlaté pres d’arduenne ſilue:
Les deux baſtardz par l’aiſné decollé,
Et regnera Aenodarb. nez de milue.

Das große Kaiserreich ist bald trostlos,
Und verlegt nahe des Ardenner1 Waldes.
Die beiden Bastarde durch den älteren enthauptet,
Und es herrscht Rotbart2 Habichtnase3.

1 In der Ausgabe Moskau 1557 steht „d’arduer ne silve“.
2 In den beiden Erstausgaben von 1557 steht „Aenobarbe“. Lat. „ahenobarbus“ = „bronzener/roter Bart“ aus „aenus“ („ehern“, „kupfern“) und „barba“ („Bart“). Der Beiname der römischen Familie, welcher Nero entstammte war Ahenobarbus.
3 In der Ausgabe Moskau 1557 steht „nay de milve“ („geboren vom Habicht“). Lat. „milvus“ = „Gabelweihe“, „Taubenfalke“ (ein Synonym für „Habicht“) und „Milan“, alles Vogelarten, die zu den Habichtartigen gezählt werden. Hier wird offenbar auf die Krümmung der Nase angespielt.

Das Reich (also auch das Christentum) ist trostlos. Der Ardenner Wald, der liegt grob mittig zwischen Reims und Aachen.
Rätselhaft die beiden Bastarde. Ich halte es für möglich, daß das zwei zur Herrschaft eigentlich nicht legitiemerte Zweitklassige sind, die sich Reichsteile unter den Nagel reißen.
Eine Einordnung erlaubt eigentlich nur Aenobarb (Aenodarb = Setzfehler in der 1568er Ausgabe). Der Begriff schickt uns auf eine Schnitzeljagd, die uns wieder zu Chyren führt:
1. Ahenobarbus ist der Beiname der Familie Kaiser Neros und bedeutet: Bronzebart, Rotbart.
2. In Vers I/74 röstet ein "Kupferbart" am Spieß. Der Vers muß zeitlich nach V/45 liegen, wo er noch herrscht. Der Begriff ist wahrscheinlich eine Anspielung von Nostradamus auf den zeitgenössischen osmanischen Korsaren Khair ad-Din, der den Beinamen "Rotbart" trug. Folglich: "Aenobarb" = Chiffre für einen islamischen Admiral/Feldherr.
3. In Vers I/74 strebt ein "krauser Schwarzhaariger" nach dem Reich (vermutlich das selbe Empire, das in V/45 trostlos ist). Ich vermute, es ist der Chef des Rotbarts, also der Obermoslem.
4. In Vers II/79 wird eben dieser "krause und schwarze Bart" von Chyren erledigt:

La barbe creſpe & noire par engin,
Subiuguera la gent cruelle & fiere:
Le grand chiren oſtera du longin,
Tous les captifs par Seline baniere.

Der krause und schwarze Bart mit Einfallsreichtum1,
Unterwirft das grausame und stolze2 Volk.
Der Große Chiren entfernt aus dem Verließ3,
Alle die Gefangenen von Seline Banner.

1 Frz. „engin“ bekam erst in neuerer Zeit die Bedeutung „Gerät“, „Maschine“. Lat. „ingenium“ bedeutet „Schöpfergeist“, „Genie“, „Talent“. Mfrz. „engin“ hatte u. a. die Bedeutung „Erfindungsreichtum“, „Gewitztheit“, „List“, „Kriegsmaschine“.
2 Frz. „fier“ = „stolz“, „anständig“, „hochmütig“, „mächtig“, „riesig“, „selbstbewußt“.
3 Gemeint ist wahrscheinlich das mittelfranzösische „longaigne“ („Latrine“, „Kloake“, aber auch „das Schmachten“, „die Schwäche“). Hier dürfte ein symbolisches Verließ oder eine ziemlich üble Lage gemeint sein, vgl. frz. „languir“ („schmachten“).

Die Verbindung "krauser Schwarzbart" = Islam fällt eigentlich ins Auge:
[image]
Das grausame und stolze Volk = die Europäer? Rätselhaft.
Weniger rätselhaft sind Zeilen 3 und 4: Chyren befreit all jene, die unter dem Banner des Islams (Selene = Mondgöttin = "Islam") gefangen sind.

Dazu gehört auch Vers IV/34:
Le grand mené captif d’eſtrange terre,
D’or enchainé au Roy chyren offert:
Qui dans Auſone, Milan perdra la guerre,
Et tout ſon oſt mis à feu & à fer.

Der Große gefangen geführt aus fremdem Lande,
Mit Gold gekettet dem König Chyren dargeboten.
Der in Ausonien1, Mailand verliert den Krieg,
Und seine ganze Armee2 überantwortet dem Feuer und dem Eisen.

1 Als „Ausonien“ wurden in der Frühantike von den Hellenen Süd- und Mittelitalien bezeichnet. Der Begriff wurde aber allmählich auf ganz Italien ausgedehnt.
2 Mfrz. „ost“ = „Heer“, „kriegerische Unternehmung“, „Kampf“ von lat. „hostis“ („Feind“, „Fremder“, „Widersacher“).

Zeilen 1 und 2: Vermutlich identisch mit "krauser Schwarzbart". Da es sich um einen Führer handelt, werden ihm von Chyren seine Abzeichen belassen. Vielleicht wird er auch wie Vercingetorix als Trophäe vorgeführt, den Cäsar auf einem Triumphzug durch Rom schleifte und dann töten ließ.
Zeilen 3 und 4: Womöglich der Feldherr Rotbart, der sich in Italien (Ausonien und Mailand) abmüht und am Ende am Spieß röstet. All seine Untergebenen läßt Chyren ebenfalls über die Klinge springen. Damit schließt sich der Kreis zu IV/77: "Italien befriedet". Die Christenheit ist gerettet. Chyren wird christlicher Weltherrscher, die Reichsteile werden geeint. Womöglich ist damit das Ende des Islams an sich angedeutet. Als nächstes dreht Chyren den Spieß nämlich um und macht sich selbst dorthin auf, wo seine Feinde herkamen:

IV/77:
SELIN monarque, l’Italie pacifique,
Regnes vnis Roy chreſtien du monde:
Mourant voudra coucher en terre bleſique
Apres pyrates auoir chaſſé de l’onde.

Islambeherrscher, Italien befriedet,
Reiche vereint, christlicher König der Welt.
Sterbend will er ruhen im Heiligen1 Land
Nachdem (er) Seeräuber hat gejagt von der Welle.

1 Das Wort „blesique“ gibt es in der französischen Sprache nicht. Ein Teil der Interpreten deutet es als ein auf die Stadt Blois verweisendes Adjektiv. „Blésois“ wird die Landschaft genannt, in der Blois (lat. „Blesum“) liegt. Eine andere Möglichkeit ist die Verwandtschaft mit dem englischen „bless“ („segnen“). Eine Anleihe aus dem Englischen hat Nostradamus auch in II/17 vorgenommen. „Terre blesique“ wäre dann als Verschleierung für „gesegnetes“ oder „heiliges“ Land (frz. „Terre sainte“) zu deuten.

Selene ist in der griechischen Mythologie eine Mondgöttin und der Halbmond steht für den Islam, daher "Islambeherrscher". Zudem könnte "Selin" ein Anagramm für "Islen" sein, was fast wie Islam klingt.
"Selene Monarch" ist entweder ein Islamherrscher, der zuvor in Italien einfällt, oder es handelt sich wie bei "Africanus" (für Scipio, Sieger über Hannibal) um einen Spitznamen Chyrens: "Islambeherrscher".
"Terre blesique" ist nicht das Land von "Blois" (frz. "Blésois"), wie viele übersetzen, sondern "gesegnetes Land". "Blesique" gibt es im französischen nicht, könnte aber eine Französisierung des Englischen "to bless" ("segnen") sein und auf das Gelobte Land (frz. "Terre promise" oder "Terre sainte") anspielen. Chyren will also ins Heilige Land, um dort zu ruhen. Damit entspricht er völlig den europäischen Prophezeiungen über den Großen Monarchen, der nach 25-jähriger Regierungszeit in Jerusalem seine Reichsinsignien niederlegen soll!
Zitate dazu von Arthur Hübscher:
"Man sieht den Antichrist im fernen Orient, in mohammedanischer Umgebung aufwachsen und als siegreichen Feldherrn und Eroberer die Welt in Schrecken setzen. Er wird vorläufer und vorauslaufende Diener haben - sind sie nicht schon da? Das erste Jahrtausend nachchristlicher Geschichte nähert sich dem Ende, - ist es das Ende der Welt? 'Appropinquate mundi termino" [Da das Weltende naht] ist eine beliebte Formel des 10 Jahrhunderts. Aber Adso hat einen Trost bereit. Er sieht den Verfall des erneuerten Kaisertums, und doch ist er der beste Träger der großen Prophetie, der unter dem Eindruck der translatio imperii steht, der Übertragung des Reiches auf die Franken. Und dieses neue Reich ist nun die aufhaltende Macht: Solange es noch Könige der Franken gibt, wird der Antichrist nicht erscheinen. Die Sibylle hat ja prophezeit, daß aus diesem Königshause noch ein gewaltiger Kaiser vor dem Ende der Tage ersteht, der ein Reich des Friedens bringen und dann auf Golgatha Krone und Szepter niederlegen wird." (Hübscher: Die große Weissagung, S. 96/97)
Und Ende es 15. Jahrhunderts lautet die Endfassung der Prophezeiung des Methodius:
"Die Türken werden vom Kaiser völlig besiegt und unterjocht, die Christen fallen bald darauf in einen allzu gesegneten Frieden in fleischlicher Üppigkeit, bis Gog und Magog ein furchtbares Blutbad unter ihnen anrichten. Dann zieht der römische König nach Golgatha, legt seine Krone auf das Kreuz und übergibt des Reich der Christen Gott dem Vater." (Hübscher: Die große Weissagung, S. 138)
Wird können sicher davon ausgehen, daß Nostradamus in der Prophezeiungsliteratur seiner Zeit belesen war und diese Aussagen kannte.
Die "Seeräuber" in Zeile 4 des obigen Verses könnten übrigens wieder ein Hinweis auf die Vorherrschaft des Islams im Mittelmeer unter dem als "Rotbart" chiffrierten Korsaren sein, den Chyren vom Wasser bläst.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Gesamter Strang: