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Große Handlungsstränge bei Nostradamus (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 04.08.2014, 09:15 (vor 3543 Tagen) @ ITOma (4302 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 26.09.2018, 08:55

Hallo!

Ich meine, man sollte Nostradamus nicht zu seicht deuten und in die Versen irgendwelche kleinen Randereignisse hineinlesen.

Sonst vermeint man dort als nächstes das Scheitern der Ehe Heidi Klums zu lesen. ;-)

Er beschreibt in seinen Versen eine Zukunft, die (angeblich) bis zum Ende des vierten nachchristlichen Jahrtausends reicht.

Ich habe mit BB nun schon einige Verse durchgesprochen, die recht plausibel auf vergangene Ereignisse passen.

Außergewöhnlich häufig widmet sich Nostradamus dabei großen "Ereigniskomplexen":

  • Das Schicksal der Kinder Heinrichs II. bis zur Thronbesteigung Heinrichs IV.
  • Der Protestantismus in Europa: Hugenotten, Calvinisten, Lutheraner, Anglikaner
  • Die französische Revolution
  • Der Kommunismus
  • Napoleon
  • Hitler
  • Der Konflikt mit dem Islam
  • Die Weltenwende
  • Die Krise der katholischen Kirche(!)
  • ...

Dazu gibt es jeweils nicht nur einen Vers, sondern gleich mehrere, allein in den ersten beiden Centurien. Selbst wenn wir manche falsch gedeutet haben sollten, spricht das dafür, daß dieser Eindruck nicht ganz falsch ist.

Und da soll er ausgerechnet einen Vers an den Einsturz einer Kirche in einer Kleinstadt verschwenden?

=> Man muß groß denken, um ein großes Werk auch nur ansatzweise zu begreifen!

Zum Schicksal der Kirche gibt es eine Reihe Verse. Darin kommt "Schiff" als Chiffre für Kirche vor, dementsprechend Schiffbruch und andere schiffverwandte Begriffe. Der Vers, der auf II/56 direkt folgt, führt meines Erachtens die Handlung fort:

II/57
Auant confliçt le grand tombera,
Le grand à mort, mort, trop ſubite & plainte:
N’ay miparfaiçt: la plus part nagera,
Aupres du fleuue de ſang la terre tainte.

Vor dem Kampf fällt der Große1,
Der Große zu Tode, Tod, zu plötzlich und beklagt.
Schiff unfertig2. Der größere Teil schwimmt,
Beim Fluß von Blut die Erde gefärbt.

1 In den Ausgaben Albi 1555 und Wien 1555 lautet die Zeile: „Auant conflit le grand mur tumbera“.
2 Ein Setzfehler: „miperfaict“ = „imperfaict“.

"Der Große" = der Abbé aus II/56, der plötzlich stirbt, vom Himmel geschlagen. "Puys sommet" ist schlichtweg der "Gipfel der Berge", nämlich der allerhöchste, der Papst.
Das Schiff ist unfertig. Offenbar handelt es sich hier nicht um den Schiffbruch, sondern um den (Neu-)Bau eines Schiffes nach dem Schiffbruch. => Kirchenreformen, die der Papst begann, die er aber nicht vollenden konnte, weil er stirbt (oder gestorben wurde?). Die wichtigste Arbeit ist getan, der Großteil der Kirche ist schwimmfähig (zukunftsfähig), in manche Bereiche tritt jedoch noch das Wasser ein. Hierzu paßt, daß Nostradamus häufig Umstürze, Revolutionen etc. als Flutkatastrophen verschlüsselt. Folglich sind in der Kirche noch immer geistig verseuchte, "linke" Elemente am Werk, eben jene, die in II/56 auf der Klippe, auf der die Kirche auflief, in den Trümmern fleddern. Aber auch die gehen zu Grunde!
"Der Kampf" könnte der Endkampf innerhalb der Kirche sein oder ein anderer Krieg, der außerhalb tobt, z. B. der russische Feldzug. Zu letzterem würde Zeile vier passen: Bei einem Fluß wird die Erde vom Blute rot gefärbt. Der Rhein? Oder doch der Tiber, an dem Rom liegt?

Das Schiff für die Kirche ist nicht abwegig. Auch in Don Boscos Vision vom Schicksal der Kirche ist selbige ein Schiff. Auch dort stirbt der Papst:
"Da auf einmal fällt der Papst, schwer getroffen. Seine Umgebung eilt ihm sofort zu Hilfe und hebt ihn auf. Zum zweiten Male wird der Papst getroffen, er fällt von neuem und stirbt. Bei den Feinden erhebt sich Sieges- und Freudengeschrei, von ihren Schiffen vernimmt man unbeschreiblichen Jubel. Allein, kaum ist der Papst tot, so tritt schon ein anderer Papst an seine Stelle. Die versammelten Kapitäne haben ihn so schnell gewählt, daß die Todesnachricht des Papstes mit der Wahl seines Nachfolgers gleichzeitig bekannt wird. Nun schwindet den Gegnern der Mut."

Mir scheint, diese Art der Symbolik ist auf der geistigen Ebene, von welcher die Informationen stammen, irgendwie veranlagt.

Auch die "Pest" ist keine körperliche Seuche, sondern eine spirituelle. Man vergleiche I/52:

Les deux malins de Scorpion conioinçt,
Le grand ſeigneur meurtry dedans ſa ſalle:
Peſte à l’Eglise par le nouueau roy ioinçt,
L’Europe baſſe & Septentrioanle.

Die beiden Übeltäter des Skorpions verbunden,
Der große Herr ermordet drin in seinem Saal1.
Pest in die Kirche durch den neu gefügten König2,
Südeuropa und Nordländer3.

1 „Salle“ bedeutet im Französischen nicht nur „Saal“, sondern allgemein „Raum“.
2 „Joint“ heißt hier wohl soviel wie „zusammengefügt, „verbunden“ in dem Sinne, daß mehrere Teile wieder zusam-mengefügt werden.
3 Das lateinische „septentrio“ bezeichnete früher den Norden. Es bedeutet wörtlich „die sieben Dreschochsen“ und verweist auf das Siebengestirn des Sternbilds des großen Wagens, das sich die Römer als ständig um den Himmelspol preschend vorstellten.

Der Vers ist aber einstweilen nicht vollständig zu deuten. Er sei hier nur erwähnt, weil auch hier ein "grand seigneur", ein großer Herr, bzw. ein großer Alter (seigneur von lateinisch "senex" = Greis) stirbt, bzw. ermordet wird, während ein anderer, vielleicht ein Gegenpapst(?), die Pest in die Kirche bringt. Der wird natürlich nicht Priester und Gläubige mit AIDS anstecken. ;-)

Ich meine, diese und noch einige andere Verse drehen sich um das Großgeschehen um die katholische Kirche und beleuchten dieses von mehreren Seiten.
Nostradamus beschäftigt sich nicht durchgängig mit dem steten Verlauf der Geschichte, um lückenlos das Weltgeschehen bis 3797 vorzuzeichnen. Er widmet sich großen Stationen des Schicksals Europas, denen er immer eine ganze Reihe Verse widmet. Allein durch einen einzigen Vierzeiler ließen sich solche Ereignisse gar nicht hinreichend darstellen. Das Problem ist jedoch, daß die Originalreihenfolge der Verse zerstört und die Ereignisse durchmischt wurden, was es wahrscheinlich unmöglich macht, alle Verse eines Geschehens zu erkennen und das ganze Bild zu erhalten.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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