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Genealogie des Malachias (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 26.03.2014, 10:44 (vor 3677 Tagen) @ Odin (4569 Aufrufe)
bearbeitet von Forumsleitung, Sonntag, 19.04.2015, 12:09

Hallo!

Rein quellenkundlich ist die Malachiasprophezeiung eine Fläschung, die vermutlich zum Konklave des Jahres 1590, erdacht wurde. Vor der Veröffentlichung durch Arnold Wion im Lignum Vitae hat noch nie jemand etwas von der Malachiasprophezeiung gehört, bzw. was dem Malachias bis dahin zu geschrieben wurde, war etwas gänzlich anderes. Bis 1590 stimmen alle Sprüche hervorragend auf die jeweiligen Päpste, bzw. deren Wappen, Familien usw. Ab 1590 sind passende Übereinstimmungen derart selten, daß sie als zufällig gelten müssen. Nichtsdestoweniger hat man sich im Laufe der Jahrhunderte die hanebüchesten Deutungen ausgedacht, um die Charakterisierungen irgendwie passend zu machen, unter dem Axiom, daß die Prophezeiung echt sei.

Geschichtlich steht die Malachiasprophezeiung in der Tradition der Vaticinienreihen, die ursprünglich aus Byzanz kamen und dort Kaiserprophetien darstellten, d. h. Listen zukünftiger Kaiser.

Da ich zu faul bin, alles zweimal zu schreiben, zitiere ich einen Absatz aus meinem (noch unveröffentlichten) Buch:
"Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden die oströmischen Vaticinienreihen ins Lateinische übersetzt und auf die Päpste umgedeutet, mit dem Engelspapst als krönenden Abschluß. Zunächst entstanden mehrere Versionen der Weissagungen, derer die beiden wichtigsten Anselm von Marsica und Joachim von Fiore zugeschrieben wurden, jeweils 15 Päpste enthielten, und mit Urban VI. (1378 – 1389) erschöpft waren. Um 1410 entstand eine weitere, längere Fassung, die lediglich eine Aneinanderreihung dieser beiden war. Die darin enthaltenen Charakterisierungen vermochten nur noch unzureichend auf die folgenden Päpste bezogen zu werden, so daß man im Laufe des 15. Jahrhunderts durch allerlei Verschiebungen und Auswechselungen von Sinnsprüchen und Deutungen versuchte, die Weissagung gefälliger zu machen. Mit Innozenz VIII. (1484 – 1492) fand auch diese Reihe ein Ende. Dennoch war ihr Bann ungebrochen. Nun ließ man jegliche Zuordnung zu Päpsten der Vergangenheit fallen, so daß sie nach eigenem Gutdünken erfolgen konnte, und sorgte mit Hilfe des Buchdrucks für Vervielfältigung. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Weissagung mindestens zwölf Mal gedruckt, mit immer neuen Kommentaren versehen und den unterschiedlichsten Interessen nutzbar gemacht. Die letzte Veröffentlichung fand 1589 statt. Als 1590 innerhalb kurzer Zeit zwei Päpste gewählt werden mußten, diente diese Fassung als Muster für eine ganze Reihe Päpsteweissagungen, die alle zum Zweck hatten, bestimmten Kandidaten zur Wahl zu verhelfen. Lediglich eine davon hat, losgelöst von ihrem geschichtlichen Hintergrund, bis zum heutigen Tage überlebt: Die Weissagung des Malachias."

Im wesentlichen ist das eine Darstellung nach Arthur Hübschers "Die große Weissagung", worin die antike und mittelalterliche Weissagungstradition meisterhaft zusammengefaßt wurde.

Die Malachiasprophezeiung ist also die letzte einer ganzen Reihe ähnlicher und voneinander abstammender Päpsteweissagungen. Daß sie bis in unsere Zeit im Gespräch ist, liegt schlicht daran, daß sie (zufällig?) so lang ist. Der prophetische Gehalt tendiert durchwegs gegen null.

Die Frage, von wem die Weissagung eigentlich stamme, ist vor dem Hintergrund dieser Tradition übrigens sekundär. Man hat versucht, die Autorschaft einem anderen Seher, Philippus Neri, zuzuschreiben. Jedoch halte ich da eher den Wunsch für den Vater des Gedanken. Laut Überlieferung sah er während jeder Sedisvakanz den Namen nur des jeweils nächsten Papstes, nichts darüber hinaus. Die Malachiasprophezeiung bietet aber keine Namen, sondern gar nicht oder nur sehr schlecht passende Charakterisierungen.

Immerhin läßt sich die Tatsache, daß die Liste in unserer Zeit endet, nicht wegdiskutieren. Es gibt eine meines Erachtens geringe Wahrscheinlichkeit, daß allein in der Tatsache diese Endens ein prophetischer Gehalt liegen könnte. Wenn die noch lebenden beiden Päpste, die nach der Liste "Gloria Olivae" und "Petrus Romanus" sein müßten, tot sind, ohne daß etwas passiert wäre, und die Liste absolut nichts mehr hergibt, sind wir schlauer.

Der letzte Satz ist übrigens ebenfalls nicht präkognitiv, sondern geht auf ein älteres Weissagungsmotiv zurück, demnach die Kirche in der Endzeit verfolgt, Rom vom Antichristen beherrscht werde, bzw. der Antichrist sei und zerstört werden müsse.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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